Erinnern für die ZukunftZum Ende des Jubiläumsjahrs resümieren vier Rektoren

Freuen sich auf die (mindestens) nächsten 60 Jahre der Hochschule Aalen: Die ehemaligen Rektoren Prof. Heinz Schilling, Prof. Dr. Dr. Ekbert Hering, Prof. Dr. Gerhard Schneider und der aktuelle Rektor Prof. Dr. Harald Riegel (v.l.). Foto: © Hochschule Aalen

Tu, 19. Dezember 2023

Dieses Jahr feierte die Hochschule Aalen ihr 60-jähriges Jubiläum – auf allein 30 Jahre Amtszeit können vier Rektoren der Hochschule zurückblicken. Zum Abschluss dieses Jubiläumsjahrs erinnern sich die ehemaligen Rektoren Prof. Dr. Gerhard Schneider, Prof. Dr. Dr. Ekbert Hering sowie Prof. Heinz Schilling an ihre Zeit an der Hochschule. Rektor Prof. Dr. Harald Riegel wagt einen Blick in die Zukunft und spricht über die Bedeutung der Hochschule für die Region Ostwürttemberg.

Von der Pike auf

1963 stürmten die Beatles die Hitparade, John F. Kennedy besuchte Berlin, das ZDF ging auf Sendung – und in Aalen wurde die Staatliche Ingenieurschule gegründet. Ein paar Jahre später wurde sie zur Fachhochschule umgewandelt, ihr erster Rektor war Prof. Heinz Schilling. Die Anfänge der Ingenieurschule bekam Schilling, der in Fellbach bei Stuttgart aufgewachsen ist und nach einer Werkzeugmacherlehre bei Daimler-Benz Maschinenbau an der TH Stuttgart studiert hatte, sozusagen von der Pike auf mit. Denn nach seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter bei Telefunken in Backnang kam er 1963 als Lehrbeauftragter nach Aalen an die damalige Staatliche Ingenieurschule, wurde Professor und 1973 schließlich der erste gewählte Rektor der damaligen Fachhochschule.

„Viel Remmidemmi“

Während der Neubau an der Rombacher Straße nach dem Entwurf des renommierten Architekten Günter Behnisch entstand, waren die Studierenden in sogenannten Holzbaracken auf dem Galgenberg untergebracht. „Das waren spannende Zeiten. Und obwohl das Provisorium in den Lehrbaracken viele Missstände hatte und dadurch nicht immer ein geregeltes Studium ermöglichte, war die Stimmung in der Studierendenschaft und mit den Dozenten sehr gut“, erzählt Schilling. Mit dem Aufkommen der 68er-Studentenbewegung, den gesellschaftlichen Wandlungsprozessen und dem Umzug in den Neubau kam dann ziemlich viel Leben „in die Bude“. „Die Studierenden riefen zu Protestveranstaltungen auf, es gab Vorlesungsstreiks, Sitzblockaden und vehemente Forderungen, Prüfungen zu annullieren“, erinnert sich der heute 90-Jährige und fügt schmunzelnd hinzu: „Kurz gesagt: Es herrschte ziemlich viel Remmidemmi.“

Grundlage für die heutige Forschungsstärke

Ende 1971 wurde nach dem zwischenzeitlich verabschiedeten baden-württembergischen Fachhochschulgesetz aus der Staatlichen Ingenieurschule eine Fachhochschule mit einer erheblich vergrößerten Selbständigkeit. Das erforderte viel Organisation. Als Schilling 1973 zum Rektor gewählt wurde, waren die ersten Maßnahmen die Erarbeitung einer Geschäftsordnung für den Senat und die Fachbereiche, „damit ein Arbeiten im Sinne der Selbstverwaltung überhaupt möglich war.“ Ein weiterer wichtiger Schritt war das Erlassen einer Studien- und Prüfungsordnung, die in einigen Punkten Vorbild für andere Fachhochschulen in Baden-Württemberg wurde. Schon damals wurde mit der anwendungsbezogenen Lehre und der wirtschaftsnahen Forschung, die sich aus der Industrieberatung heraus entwickelt hatte, eine gute Grundlage für die heutige Forschungsstärke der Hochschule gelegt.

Bereichernde Zusammenarbeit mit den Studierenden

Nach Schillings vierjähriger Amtszeit war die Studierendenanzahl von 826 bereits auf 1.200 Studierende angewachsen und mit dem neuen Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen das Fundament für die Wirtschaftswissenschaften gelegt. „Als das alles geschafft war, bin ich gerne wieder zurück ins Glied und habe als Professor gearbeitet. Die Lehre und die Zusammenarbeit mit den Studierenden habe ich immer als bereichernd empfunden“, sagt Schilling und fügt hinzu: „Aber natürlich bin ich schon ein bisschen stolz darauf, den Übergang von der Staatlichen Ingenieurschule hin zur Fachhochschule mitgestaltet zu haben.“ Noch heute verfolgt Schilling „mit Freude die weitere Entwicklung der Hochschule“.

Erweiterung des „Studiengang-Portfolios“

Unter Prof. Dr. Dr. Ekbert Hering wurde die Bildungs- und Forschungseinrichtung konsequent ausgebaut und baulich erweitert. Der Physiker und Wirtschaftswissenschaftler, der dieses Jahr seinen 80. Geburtstag feiern konnte, war von 1997 bis 2007 Rektor der Hochschule Aalen. Hering, der sich auch als vielfacher Buchautor einen Namen gemacht hat, intensivierte die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sowie zahlreichen Institutionen und Gremien – sowohl in der Region als auch darüber hinaus. Diesen engen Kooperationen ist es zu verdanken, dass viele Stiftungsprofessuren, beispielsweise im Bereich Gesundheitsmanagement, an der Hochschule verankert werden konnten. Auch das „Studiengang-Portfolio“ wurde erweitert um beispielsweise die Betriebswirtschaft für kleine und mittlere Unternehmen oder die Informatik. „Und gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd haben wir den Studiengang Ingenieurpädagogik entwickelt“, sagt Hering.

Architektonisches Gesicht

Ganz besonders am Herzen lag Hering auch die Internationalisierung der Hochschule sowie die bauliche Erweiterung. In seiner Ära bekam die Neuausrichtung der Hochschule mit dem Neubau Burren ihr architektonisches Gesicht. In diesem Zusammenhang erinnert er sich ganz besonders an den Nikolaustag 2001, als das Rektorat zu einer interministeriellen Besprechung in Stuttgart war. „Wir wurden zunächst um ein paar Hundert Quadratmeter gekürzt, kamen aber schlussendlich mit mehreren Hundert Quadratmetern Fläche ans Ziel“, erzählt Hering. In die Amtszeit des umtriebigen ehemaligen Rektors fällt auch die Inbetriebnahme des Medienzentrums mit seinem Ton- und Fernsehstudio, das Zentrum für Optische Technologien sowie die Neubauten auf dem Campus Burren. Durch den Ausbau des Studienangebots stieg die Studierendenzahl bis 2007 auf 3860.

Prof. Dr. Gerhard Schneider als Wegbereiter des Promotionsrechts

2008 wanderte der „Rektoren-Staffelstab“ von Prof. Dr. Dr. Ekbert Hering zu Prof. Dr. Gerhard Schneider. Als leidenschaftlicher Forscher, begeisterter Naturwissenschaftler und strategisch agierender Rektor prägte er 14 Jahre die Geschicke der Hochschule Aalen. In seiner Zeit wurde die Hochschule Aalen zu einer der forschungsstärksten Hochschulen für angewandte Wissenschaften bundesweit, die Studierendenzahlen verdoppelten sich nahezu und auf dem Campus entstanden zahlreiche neue Gebäude wie das explorhino, die Forschungsgebäude und der Waldcampus. Auch für das Promotionsrecht war Schneider der Wegbereiter – ein Meilenstein für die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Baden-Württemberg. Nach einem langen Prozess können seit vergangenem Jahr im Rahmen eines Promotionsverbandes ausgewiesen forschungsstarke Professorinnen und Professoren Promovierende zum Doktortitel führen.

Blick in erwartungsvolle Gesichter

„Bei den Erstsemesterbegrüßungen in die erwartungsvollen, manchmal auch etwas bang blickenden Gesichter zu schauen und diese dann bei den Absolventenverabschiedungen wieder zu sehen – als gereifte Persönlichkeiten, bereit, die Welt zu erobern – das waren immer ganz besonders schöne Momente“, erinnert sich Schneider. „Auch der Aufbau von explorhino, die Umsetzung der Forschungsgebäude, die Einwerbung des FH-Impuls-Projekts SmartPro oder der erste Platz bei der Gründungsförderung waren für mich Highlights in meiner Tätigkeit als Rektor.“

Nur was besser wird, bleibt gut

Seit Anfang 2022 leitet Prof. Dr. Harald Riegel federführend die Geschicke der Hochschule Aalen. Der promovierte Physiker möchte die Stärken der Hochschule weiter ausbauen. Denn nur was besser wird, bleibt gut, ist der 58-Jährige überzeugt. Riegel setzt auf eine gemeinschaftliche Weiterentwicklung des starken Bündnisses auf kommunaler und regionaler Ebene sowie mit den Unternehmen der Region – gerade auch im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung. „Es ist mir ein großes Anliegen, die Industrie bei diesem Transformationsprozess zu unterstützen“, betont Riegel. Wichtig sei auch die permanente Anpassung der Studienangebote, um diese attraktiv zu halten sowie schon früh Kinder und Jugendliche für die spannende Welt der Naturwissenschaften und Technik zu begeistern.

Eine Hochschule fürs ganze Leben

„Die MINT-Bildung ist in Zeiten des Fachkräftemangels von elementarer Bedeutung für Gesellschaft und Region“, so Riegel. Und enthusiastisch fügt er hinzu: „Eigentlich sind wir eine Hochschule fürs ganze Leben – vom frühen Kindesalter übers Studium bis hin zu unseren vielfältigen Weiterbildungsangeboten.“ Daran stetig weiterzuarbeiten, zum Wohle der Hochschule und der Region Ostwürttemberg, „ist die Basis für alles.“ Dem schließen sich auch seine Amtsvorgänger an. „Eine Hochschule muss immer Treiber der technischen, wirtschaftlichen und sozialen Innovationen sein. Das bedeutet konkret: die Gegenwart gestalten und die Trends der Zukunft erkennen. Dazu wünsche ich ‚meiner‘ Hochschule in den kommenden 60 und weiteren Jahren viel Erfolg und eine glückliche Hand“, sagt Prof. Dr. Dr. Ekbert Hering. „Wir brauchen Menschen, die Ideen haben und fleißig sind und denen die Arbeit im Team Spaß macht. Menschen, die gerne an der Hochschule arbeiten, sich einbringen und jeweils an ihrer Stelle Verantwortung übernehmen. Dann kommen die Erfolge von alleine“, betont Schneider. Und schmunzelnd fügt der ehemalige Rektor, der selbst gerne in seiner Freizeit zum Zeichenstift greift, hinzu: „Wie hat das Künstler-Genie Salvador Dalí einmal gesagt? ‚Am liebsten erinnere ich mich an die Zukunft‘.“