Wilde Tiere, Tattoos und Poesie Internationale Forschende der Hochschule Aalen gaben bei „My Way To Aalen“ persönliche Einblicke in ihre Biografie

Kishansinh Rathod erschien in einer tradiotionellen indischen Kurta zum Interview. Foto: © Hochschule Aalen | Sofia Corrales

Th, 10. October 2024

Bei der kürzlich stattgefundenen Veranstaltung „My Way to Aalen“ herrschte eine herzliche Atmosphäre im Aalener VfR Stadion, als die Hochschule Aalen im Rahmen der interkulturellen Wochen zwei Promovierende aus Indien und Iran interviewte. Niloofar Aghajanpoor Kalastari und Kishansinh Rathod begeisterten das Publikum mit unterhaltsamen Anekdoten aus ihrem Leben. Im Anschluss fand beim Genuss von persischen und indischen Gaumenfreuden ein ungezwungenes Beisammensein statt.

Forschungsstärke der Hochschule Aalen zieht internationale Forschende nach Aalen

Zu diesem besonderen Anlass trug Kishansinh Rathod aus Indien, Promovierender im Institut für Materialforschung (IMFAA) der Hochschule Aalen, eine „Kurta“ (traditionelles indisches Kleidungsstück). Der durch sein soziales Engagement bekannte Forscher besuchte bereits mit acht Jahren ein Internat. Seine akademische Laufbahn begann er mit dem Bachelorstudium im Bereich „Computer Science“ und beschloss für das Masterstudium im selben Fachbereich seine Heimat zu verlassen. Viele indische Studieninteressierte bevorzugen englischsprachige Länder für ihr Studium, so Kishansinh. Daher war auch für ihn zunächst Großbritannien in der engeren Auswahl. Wegen des Brexits wurde seine Wahlheimat zunächst die deutsche Universitätsstadt Heidelberg. Doch die Forschungsstärke des IMFAA überzeugte Kishansinh und er zog für seine Promotion nach Aalen, um im Bereich Machine Learning Systems zu forschen.

Niloofar Aghajanpoor Kalastari promoviert derzeit im Bereich Artificial Intelligence and Data Science. Die junge Frau mit dem sympathischen Lächeln strahlt, als sie von ihrer Heimatstadt Rasht im Nordiran erzählt. Rasht sei ein grüner Streifen Erde inmitten der eher kargen Landschaft Irans und auch bekannt als Stadt des Regens oder das Italien Irans. Ihre Mutter, die selbst im IT-Bereich ein Studium absolviert hat, war sehr leistungsorientiert und förderte Niloofar bereits in jungen Jahren. Im Iran herrschen harte Aufnahmebedingungen an öffentlichen Universitäten. Es sind vier Jahre „Highschool-Besuch“ nötig, darüber hinaus müssen verschiedene anspruchsvolle Tests absolviert werden. Die Unterstützung ihrer Mutter motivierte die ehrgeizige Iranerin ihre Ziele weiter zu verfolgen. Sie bestand die Aufnahmeprüfungen und absolvierte einen Bachelorabschluss im Studienfach Electrical Engineering.

Niloofar entschied sich bewusst für ein Masterstudium im deutschen Wismar, da das Studieren in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern finanzierbar gewesen sei. Im Anschluss an das Masterstudium in Wismar plante Niloofar zu arbeiten, aufgrund ihrer guten Leistungen in der Forschung im Zuge der Masterarbeit ermutigte sie ihr Professor zu promovieren. Auch Niloofar entschied sich im Hinblick auf die Forschungsstärke der Hochschule Aalen ihre Promotion in Aalen zu beginnen und forscht seitdem auf dem Gebiet Data Quality Improvement.

Gelebte Diversität ohne Geschlechterstereotype 

Sein Team im Institut für Materialforschung an der Hochschule Aalen beschreibt Kishansinh, der von den meisten seiner KollegInnen „Kishan“ genannt wird, als divers, international und wertschätzend. Kishansinh betont, dass er sich von Beginn an im Team integriert fühlte. Er schätze insbesondere die offene Atmosphäre: „No one feels left out“. Auch im Privatleben unternimmt das Team viel zusammen. Er teilt sich eine WG mit zwei Frauen und drei Männern. Anfallende Reparaturarbeiten wurden bislang von den Mitbewohnerinnen übernommen, der leidenschaftliche Hobby-Koch, der am liebsten Maultaschen und Linsen mit Spätzle isst, habe sich dafür um das leibliche Wohl gekümmert: „Gender roles the other way round“, ergänzt Kishansinh.

Kultureller Szenenwechsel vom Dschungel Westindiens in die Wälder der Schwäbischen Alb

Anfangs war es ungewohnt für ihn, sorglos durch die idyllischen Landschaften der Schwäbischen Alb zu spazieren: In Indien sei es gefährlich in den Wäldern spazieren zu gehen. Der aus Westindien stammende Forscher schmunzelt und fügt hinzu: „But sometimes I miss the Lions, snakes and leopards.“

Tattoos, Poesie und Berge – Kulturelle Impulse auf dem Weg von Rasht nach Aalen

Da der Arbeitsmarkt im Iran hart umkämpft ist, arbeitete Niloofar während des Studiums als Tätowiererin und Tattoodesignerin, obwohl diese Tätigkeit sehr im Kontrast zu den Ansichten der Regierung steht. Angekommen in Wismar war Niloofar weiterhin bestrebt als Tattoo-Künstlerin zu arbeiten. Nach vielen Absagen gab ihr ein Tattoostudio eine Chance. Der Besitzer des Studios wurde ein enger Freund, Wegbegleiter und Mentor. Die kreative Forscherin entdeckte außerdem früh ihre Leidenschaft für Poesie und schrieb auch eigene Texte. Beim schreiben ihrer Texte wurde sie von einer iranischen Poetin inspiriert, deren Werk sie dem Publikum vorstellte. Die Aalener Innenstadt mit ihren vielen kleinen Bars, Geschäften und Restaurants konnte das Herz der Forscherin sofort erobern. Außerdem, so Niloofar, liebe sie die bergige Landschaft in Aalen, da diese sie an ihre Heimatstadt Rasht erinnere. Neben ihrer Forschung könne sie sich vorstellen wieder in einem Tattoostudio zu arbeiten.

Bürokratische Hürden und die schwäbische Kehrwoche 

Als erste Herausforderung auf ihrem Weg nach Aalen beschreibt Niloofar die Interaktion mit der Ausländerbehörde. Nachdem sie diese Hürde meistern konnte begegnete die iranische Forscherin typisch schwäbischen Gepflogenheiten, wie der Kehrwoche. Nachdem das Kehrwochen-Schild immer wieder an ihre Tür hing, obwohl Niloofar diese erledigt hatte, war sie verwundert. Als sich herausstellte, dass eine andere Mieterin nicht zufrieden mit ihren Putzfähigkeiten war, konfrontierte sie diese. Als das Schild aber weiterhin an Niloofars Türe hing, konnte das Problem erst aus der Welt geschafft werden, nachdem sie ihren Vermieter eingeschaltet hatte.

EMBRACE Service Center als Veranstalter

Organisator des Abends war das EMBRACE Service Center der Hochschule Aalen. Das erst dieses Jahr gestartete Projekt unterstützt internationale Forschende bereits vor deren Ankunft in Aalen, z.B. bei Visum und Wohnungssuche. EMBRACE bietet eine individuell auf die Bedürfnisse der Forschenden zugeschnittene, nicht-akademische Unterstützung während und nach ihrer Zeit an der Hochschule Aalen. Die Community des Projekts ist mit der Stadt Aalen, der Hochschule und ihren Forschungseinrichtungen gut vernetzt und veranstaltet regelmäßige Events wie interkulturelle Workshops und Networking-Treffen, um eine gelungene Integration zu fördern. Nach der Begrüßung durch Dr. Lola Bulut, der Projektleiterin und Miriam Kollmer-Trianni, der PR- und Marketing-Verantwortlichen des EMBRACE Service Centers, führte Rosemarie Francis-Binder, die die interantionalen Forschenden betreut, als gewitzte Moderatorin charmant und kurzweilig durch den Abend.