Gelebte Inklusion: Toiletten für alleStudierende der Hochschule Aalen entwickeln „WC4all“

Toiletten für alle – Studierende der Hochschule Aalen haben das Modell für ein barrierefreies WC entworfen, das auch für Menschen mit komplexen Behinderungen nutzbar sein soll.

Th, 23. June 2016

„WC4all“ – hinter diesem Kürzel verbirgt sich ein studentisches Projekt der Hochschule Aalen. Es soll die Teilhabe von Menschen mit komplexen Behinderungen an Großveranstaltungen wie die Aalener „Reichstädter Tage“ oder die Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn ermöglichen. Inklusion braucht „Toiletten für alle“ – beispielsweise ein Rollstuhl-WC mit Pflegeliege für Erwachsene oder ein Patientenlifter, weiß der Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Baden-Württemberg. So entstand die Projektpartnerschaft zwischen der Hochschule Aalen und dem Selbsthilfeverband.

„Schon lange sehe ich den Bedarf an mobilen Toiletten für alle“, sagte Prof. Dr. Ulrich Holzbaur bei der Vorstellung der Ergebnisse. Holzbaur ist Senatsbeauftragter der Hochschule Aalen für Nachhaltige Entwicklung und beschäftigt sich in Lehre und Forschung mit dem Thema Nachhaltige Events, wozu auch die Barriefreiheit gehört. Das Projekt „WC4all“ war binnen kürzester Zeit ausgebucht. Philipp Ballmann, Erik Hummel, Patrick Ohnhäuser und Lukas Weber, angehende Wirtschaftsingenieure im vierten Semester, hat das Thema „einfach gereizt“. „Sanitärkomponenten im 3D-Druck herstellen, da gehört schon was dazu“, beschreibt Lukas Weber die Herausforderung. Philipp Ballmann ergänzt: „Die Idee hat Charme. Wir bringen unser Können und Know-how ein und schaffen damit die Basis für Inklusion.“

Rolf Ulsamer stand dem Projektteam beratend zur Seite. Der Wirtschaftsingenieur lobte die ingenieursmäßige Herangehensweise der Studierenden. Im Lasten- und Pflichtenheft legten die Studierenden ihre „WC4all“-Anforderungen fest: leicht zu transportieren, kostengünstig umzusetzen, 100 Prozent barrierefrei, leicht zu reinigen, nachhaltig und möglichst auch autark von äußeren Gegebenheiten. Im Laufe des Projektes entschieden sich die Studierenden, einen gebrauchten Überseecontainer mit einer Länge von etwa sechs Metern als Grundlage für den umbauten Raum zu nehmen.

Nach einer umfangreichen Recherche, Planung und Berechnung ging es an die Umsetzung: Mit Hilfe von CAD und 3D-Drucker schufen die Studierenden im Maßstab 1:25 einen Sanitärraum mit Rollstuhl-WC, Waschbecken sowie einer Pflegeliege für Erwachsene. Jutta Pagel-Steidl, Geschäftsführerin des Landesverbandes für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Baden-Württemberg, zeigte sich von der Präsentation beeindruckt: „Es ist faszinierend, wie unvoreingenommen die Studierenden konzeptionell vorgehen, um Inklusion voranzubringen.“ Während es mittlerweile viele Wickelmöglichkeiten für Kleinkinder gäbe, fehlten diese für Erwachsene. „Menschen mit komplexen Behinderungen, die eine Windel tragen, müssen derzeit auf dem Fußboden eines Rollstuhl-WCs oder auf der Rückbank des Autos gewickelt werden. Dies ist weder hygienisch noch würdig.“ Das Sozialministerium Baden-Württemberg sieht dies ebenso und fördert daher das Projekt „Toiletten für alle in Baden-Württemberg“ des Landesverbandes. Der Selbsthilfeverband wirbt daher für mehr Wickelmöglichkeiten für Erwachsene. Gemeinsam mit der Hochschule Aalen plant der Selbsthilfeverband, das Modell „WC4all“ im Maßstab 1:1 umzusetzen, damit auch Menschen mit komplexen Behinderungen an Großveranstaltungen teilnehmen können. „Der barrierefreie Container mit Toilette und Liege soll dazu gemeinsam mit Partnern weiterentwickelt, umgesetzt und eingesetzt werden“, so Pagel-Steidl.