Zukunftsfit durch intelligente Zuverlässigkeitsgestaltung Förderprogramm EXPLOR der Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur unterstützt Prof. Dr. Alexander Kremer beim Aufbau seiner Forschung

Prof. Dr. Alexander Kremer forscht an der Hochschule Aalen zum Themenfeld „Intelligente, adaptive Zuverlässigkeitsgestaltung für nachhaltige und robuste Maschinenelemente“. Foto: © Hochschule Aalen | Nele Hirschmiller
Ob Smartphone, Elektroauto oder Fertigungsanlage: Produkte bestehen heute aus unzähligen mechanischen Teilen, Elektronik und Software. Weil sie immer stärker vernetzt sind und zugleich mehr Leistung bei längerer Lebensdauer bringen sollen, steigt ihre Komplexität deutlich an. Wie lässt sich sicherstellen, dass solche Systeme über viele Jahre zuverlässig funktionieren? Mit dieser Frage beschäftigt sich Prof. Dr. Alexander Kremer von der Fakultät Maschinenbau und Werkstofftechnik an der Hochschule Aalen. Unterstützt werden seine Forschungsaktivitäten durch das Förderprogramm EXPLOR der Abtsgmünder Stiftung Kessler + Co., das ihm 50.000 Euro für den Aufbau seines Forschungsbereichs bereitstellt.
„Oftmals interessiert Hersteller die Lebensdauer ihrer Maschinen erst dann, wenn es beim Kunden knallt“, erläutert Kremer. Sein Forschungsziel ist daher ein Paradigmenwechsel: Weg von der nachträglichen Bewertung der Zuverlässigkeit – hin zu einer integrierten Zuverlässigkeitsgestaltung. Diese setzt bereits im Konstruktionsprozess an und adressiert den gesamten Produktlebenszyklus, von der Entwicklung über die Produktion bis hin zum Einsatz und Recycling.
Seine Vision: Produkte sollen von Beginn an so ausgelegt werden, dass sie unter realen Betriebsbedingungen ihre Funktion zuverlässig erfüllen, ohne unnötig überdimensioniert zu sein. „Zuverlässigkeit bedeutet für mich, Maschinen und Systeme so zu gestalten, dass sie ihre Funktion über den vorgesehenen Zeitraum erfüllen – und zwar ressourceneffizient und nachhaltig“, so Kremer. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Reißt bei einem Trennschleifer der Keilrippenriemen, steht die Maschine still, angrenzende Bauteile werden beschädigt und der Betrieb unterbrochen. Mit einer anwendungsbezogenen Auslegung und Sensorik, die Überlastungen rechtzeitig meldet, ließe sich die Betriebsstrategie anpassen, sodass das Gerät weiterläuft, bis Ersatz verfügbar ist. Ähnlich kritisch sind sicherheitsrelevante Komponenten wie Befestigungsschrauben am Werkzeugschutz eines Trennschleifers oder moderne Steer-by-Wire-Lenkungen – und ebenso Software, deren Fehler ganze Systeme lahmlegen können.
Im Kern geht es darum, Hardware- und Softwareausfälle gleichermaßen frühzeitig vorherzusehen und präventiv durch eine zuverlässigkeitsorientierte Auslegung zu verhindern. Während Hardwareausfälle oft physikalische Ursachen wie Ermüdung oder Korrosion haben, entstehen Softwareausfälle oft durch fehlerhafte Programmierung. Kremers Ziel ist es, beide Welten mit einem ganzheitlichen Ansatz zu verbinden und dabei stets auch die Nachhaltigkeit im Blick zu behalten – etwa durch gezielte Ressourceneinsparung, energieeffiziente Herstellung oder die Wiederverwendbarkeit von Komponenten.
Mit der Förderung durch EXPLOR kann Kremer nun das Themenfeld „Intelligente, adaptive Zuverlässigkeitsgestaltung für nachhaltige und robuste Maschinenelemente“ an der Hochschule Aalen etablieren. Neben einem Forschungsmitarbeiter sollen auch Kooperationen mit regionalen Unternehmen aufgebaut werden. Sein Ziel: Ein ganzheitlicher Ansatz, der Methoden zur Überwachung, Diagnose und Prognose mit sogenannten digitalen Zwillingen und Künstlicher Intelligenz verbindet – und damit den Weg zu wirklich zuverlässigen und nachhaltigen Maschinen ebnet.
Kremer selbst beschreibt seinen Werdegang als geprägt von frühen Praxiserfahrungen: „Die Begeisterung für Maschinenbau entstand schon früh, als ich meinen Vater, einem gelernten Landmaschinenmechaniker und späteren Berufsschullehrer, bei seiner Arbeit begleiten durfte. Besonders fasziniert hat mich, wie er die Zylinderblöcke alter Traktormotoren ausdrehte – dabei konnte ich ihm oft über die Schulter schauen.“ Schon in seiner Bachelorarbeit bei der LuK GmbH & Co. KG beschäftigte er sich mit der Lebensdauer von Bauteilen. Im Rahmen seiner Masterarbeit an der Universität Stuttgart legte er den Fokus auf die Zuverlässigkeitstechnik, einem Forschungsbereich, der in Deutschland durch Prof. Dr. Bernd Bertsche geprägt wurde – später auch sein Doktorvater.
Parallel zu seiner Dissertation, die er 2021 abschloss, war Kremer Mitbegründer und Geschäftsführer der RelTest-Solutions GmbH, die Coaching und Consulting im Bereich Zuverlässigkeitstechnik anbietet. Es folgten Tätigkeiten als Entwicklungsingenieur und Experte für Zuverlässigkeitstechnik bei der ANDREAS STIHL AG & Co. KG, wo er u.a. Forschungsprojekte leitete und Methoden zur Absicherung der Zuverlässigkeit weiterentwickelte.
Seit Oktober 2024 lehrt und forscht Kremer nun an der Hochschule Aalen in den Bereichen Technisches Zeichnen, Maschinenelemente und zuverlässigkeitsgerechte Gestaltung. „Die Arbeit mit jungen Menschen und die Entwicklung neuer Konzepte für die Industrie motivieren mich jeden Tag. Es ist an der Zeit, die Zuverlässigkeitstechnik aus der reinen Schadensvermeidung herauszuführen und sie als aktiven Bestandteil des Konstruktionsprozesses zu begreifen“, fasst Alexander Kremer zusammen.