„Wir müssen wieder in Stärke investieren“Roderich Kiesewetter MdB referierte an der Hochschule Aalen über „30 Jahre Budapester Memorandum“

Der Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter sprach im Audimax über die Auswirkungen von Vertragsbrüchen auf die internationale Zusammenarbeit. Foto: © Hochschule Aalen | Marvin Weinstein
Im Rahmen des Studium Generale referierte am vergangenen Mittwoch der Bundestagsabgeordnete und Ehrensenator der Hochschule Aalen, Roderich Kiesewetter, zum Thema „Auswirkungen von Vertragsbrüchen auf die internationale Zusammenarbeit – 30 Jahre Budapester Memorandum“. Die rund 200 Besucherinnen und Besucher folgten im Audimax gespannt den Ausführungen Kiesewetters und hatten im Anschluss die Möglichkeit, Fragen zu stellen, wovon das Publikum reichlich Gebrauch machte.
Das Budapester Memorandum umfasste drei Vereinbarungen, die 1994 von der Russischen Föderation, den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich unterzeichnet wurden. In diesem wurden der Ukraine Sicherheitsgarantien versprochen, darunter die Unverletzbarkeit ukrainischen Territoriums, wofür das Land dem Atomwaffensperrvertrag beitrat und als Gegenleistung auf sämtliche Nuklearwaffen verzichtete. Roderich Kiesewetter widmete sich in seinem Vortrag der Frage, wie eine europäische Sicherheitsarchitektur nach dem doppelten Bruch des Budapester Memorandums durch die russische Annexion der Krim 2014 und den Angriff auf die Ukraine 2022 künftig aussehen kann.
Bedrohung durch die „CRINK“-Allianz
„Im 21. Jahrhundert leben wir zunehmend in einer multipolaren Ordnung, in der wir Zonen unterschiedlichen Rechts und Einflusses haben. Das bedeutet, dass die internationale Zusammenarbeit, die auf Verträgen beruht, diese Verträge heute nicht mehr durchsetzen kann“, stellte Roderich Kiesewetter gleich zu Beginn fest. Zwar gebe es keine festen Gegenbündnisse zur NATO, aber eine hochfunktionale Koalition, die in Sicherheitskreisen mit „CRINK“ bezeichnet werde. Unter dieser verstehe man die Allianz von Russland, China, Iran und Nordkorea, die sich bei militärischer wie hybrider Kriegsführung unterstützten. So liefere beispielsweise der Iran Kampf-Drohnen an Russland und erhalte dafür dringend benötigte Nukleartechnologie. Auch belasse es diese Allianz mittlerweile nicht mehr bei Spionage und Cyberangriffen, sondern sondiere auch deutsche Kasernen mit Aufklärungsdrohnen und verübe Sabotageakte, erklärte der Sicherheitspolitiker.
Situation der Nato
„Der entscheidende Artikel 5 des NATO-Bündnis-Vertrages machte die europäische Sicherheit zur amerikanischen und umgekehrt“, so Kiesewetter weiter. Heute reiche Diplomatie allein nicht mehr aus, erklärte Kiesewetter und belegte: „Donald Trump positioniert sich in seiner zweiten Amtszeit zunehmend kritisch zum Nato-Bündnis und führt eigenmächtig Verhandlungen mit Wladimir Putin.“ Diese führten zwar zu einseitigen Lösungen zum Nachteil der Ukraine, zeigten aber deutlich, dass das Budapester Memorandum einem „zahnlosen Tiger“ gleiche.
Diplomatie und Stärke
„Deshalb ist gut, wenn wir auch wieder in Stärke investieren. Wenn wir etwas bewegen wollen, werden wir das als Europäer nur schaffen, indem wir konventionell aufrüsten und dafür deutlich mehr Geld aufbringen“, forderte Roderich Kiesewetter. Auch bereitete er die Zuhörenden auf eine kommende Debatte über Atomwaffen vor, denn Europa müsse nuklear werden, sollten die Amerikaner ihren Schutz abziehen. Der neue sicherheitspolitische Weg der EU dürfe deshalb nicht mehr nur wie bisher auf Frieden, Ausgleich und Verhandlungen basieren, sondern müsse im Angesicht von Putins Aggression gegenüber der Ukraine und dem Westen diesem Dreiklang nun auch Stärke im militärischen Sinne hinzufügen. Denn nur mit Diplomatie und Stärke könne man das politische Ziel erreichen, dass Russland die Existenz seiner Nachbarn dauerhaft anerkenne.
Im Anschluss nutzten viele der Zuhörenden in der Frage- und Diskussionsrunde, die von Hochschulrektor Prof. Dr. Harald Riegel moderiert wurde, die Möglichkeit, Fragen an den Bundestagsabgeordneten zu stellen und ihn um seine Einschätzung zu bitten. Darauf angesprochen, ob die kommende Regierung seine Vorschläge denn umsetzen werde, erwiderte Roderich Kiesewetter lächelnd: „Ich habe Ihnen als Sicherheitspolitiker heute Abend meine persönlichen Ansichten vorgetragen. Aber das wäre natürlich wünschenswert!“