Mehr Frauen für die Wissenschaft gewinnenHochschule Aalen erneut erfolgreich in der Qualifizierung für das von Bund und Ländern geförderte Professorinnenprogramm 2030

Dr. Andrea Sell (links) und Dr. Cecilia Colloseus beschäftigen sich an der Hochschule Aalen mit der sozialwissenschaftlichen Erforschung von hybrider Intelligenz. Foto: © Hochschule Aalen | Melanie Pfördtner

Th, 10. October 2024

Vor über 100 Jahren wurde mit der Chemikerin und Botanikerin Margarete von Wrangell die erste Frau auf einen Lehrstuhl in Deutschland berufen – gegen große Widerstände und den Willen vieler männlicher Kollegen. Seitdem hat sich an deutschen Hochschulen etliches geändert. Doch noch immer gibt es deutlich mehr Männer in Professuren als Frauen. Mit dem bundesweiten Professorinnenprogramm 2030 soll der Frauenanteil in Forschung und Lehre gesteigert und die Gleichstellungsarbeit vor Ort gestärkt werden. Auch die Hochschule Aalen konnte mit ihrer Bewerbung überzeugen – übrigens bereits zum vierten Mal.

Erhöhung des Frauenanteils

Die Hochschule Aalen ist seit vielen Jahren bestrebt, ihren Frauenanteil zu erhöhen. Dafür hat sie viele Initiativen ergriffen, beispielsweise mit der Unterstützung von Studentinnen bei ihrer Karriereplanung oder der Förderung der Vereinbarkeit von Studium oder Beruf mit Familie und Pflege. Ein wichtiger Baustein ist auch die Teilnahme am Professorinnenprogramm 2030, einer gemeinsamen Initiative des Bundes und der Länder. Es zielt darauf ab, den Anteil von Frauen in Professuren zu erhöhen und die Gleichstellung an Hochschulen zu fördern. Die Hochschule Aalen konnte sich erneut für das Programm qualifizieren, das jetzt in die vierte Runde geht.

„Leaky Pipeline-Phänomen“

„Damit setzen wir ein starkes Zeichen für die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit in der akademischen Welt“, freut sich Prof. Dr. Jana Wolf, die an der Hochschule Aalen im Studienbereich Gesundheitsmanagement lehrt und als Gleichstellungsbeauftragte federführend bei der Antragstellung war. Denn Frauen machen zwar häufiger Abitur, studieren häufiger und verfassen fast die Hälfte aller Promotionen. Doch ist im Bildungssystem und in der beruflichen Laufbahn ein Phänomen zu beobachten, das mit dem Begriff „Leaky Pipeline“ bezeichnet wird: Wie bei einer undichten Rohrleitung, bei der auf dem Weg zum Ziel immer wieder Wasser austritt, nimmt mit der Höhe des akademischen Grades der Frauenanteil rapide ab. Derzeit sind Professuren in Deutschland nur zu etwa 28 Prozent weiblich besetzt. Als Gründe werden hier zum einen fehlende Strukturen sowie veraltete Rollenbilder genannt. Frauen wird am Arbeitsplatz weniger zugetraut; oft werden sie weniger kompetent als ihre männlichen Kollegen wahrgenommen, obwohl sie dieselben Leistungen erbringen. Der Beruf als Wissenschaftlerin erfordert zudem ein hohes Maß an Flexibilität – sei es für mehrtägige Konferenzen oder aufgrund von häufigen Wohnortwechsel durch befristete Verträge. Solche Strukturen machen es schwierig, den Beruf mit der Familie zu vereinbaren.

Auf dem richtigen Weg

„Unser Erfolg beim Professorinnenprogramm zeigt, dass wir mit unserem Konzept zur Förderung von Frauen in Forschung und Lehre an der Hochschule Aalen auf dem richtigen Weg sind. So können wir unsere Vorhaben in die Tat umzusetzen und das Leaky-Pipeline-Phänomen konkret und effektiv angehen“, sagt Wolf. Unter dem Titel „EquAality“ würden nun Frauen an der Hochschule Aalen durch gezielte Maßnahmen und Initiativen im Rahmen des Gleichstellungskonzeptes für Parität auf ihrem akademischen Weg unterstützt. In der Vergangenheit konnten so MINT-Studentinnen, die unter erschwerten Bedingungen studieren, Stipendien angeboten werden. Des Weiteren konnte wissenschaftliches Personal mit Kindern oder Pflegeaufgaben durch zusätzliche Hilfskräfte in ihrer Arbeit unterstützt werden und verschiedene Vortragsreihen und Sensibilisierungstrainings an der Hochschule umgesetzt werden.

Vorgriffsprofessur

Ziel sei es außerdem, eine weibliche Vorgriffsprofessur in einer bislang rein männlich besetzten Fakultät zu realisieren. Sie erlaubt es, eine Professur vorzeitig – vor dem eigentlichen Freiwerden einer Stelle durch Pensionierung oder ähnliches – zu besetzen, oft mit dem Ziel, eine qualifizierte Wissenschaftlerin zu berufen und damit die Gleichstellung zu unterstützen. Außerdem sollen zwei Regelprofessuren mit Frauen besetzt sowie eine interdisziplinäre Nachwuchs-Forschungsgruppe zum Thema „Gendersensible KI im Gesundheitswesen“ ins Leben gerufen werden.

Geschlechtergerechtigkeit

Mit der Umsetzung dieses Projekts sind Dr. Andrea Sell und Dr. Cecilia Colloseus betraut. „Wir beschäftigen uns aktuell mit der sozialwissenschaftlichen Erforschung von hybrider Intelligenz und hoffen, dass wir diese Forschung im Kontext von Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit erfolgreich weiterführen können“, erläutern die beiden Postdoktorandinnen. Einen sozialwissenschaftlichen Ansatz in die Forschung von künstlicher Intelligenz einzubringen ist insbesondere wichtig, da bei diesem Ansatz der Mensch im Fokus steht und somit ethische und menschliche Bedürfnisse in der Technik berücksichtigt werden. Das Professorinnenprogramm 2030 bietet somit die Möglichkeit, gleichstellungsrelevante Forschung zu unterstützen und fördert Wissenschaftlerinnen auf ihrem Karriereweg.