„Design ist eine Art Kommunikationshilfe“Prof. Ralph Heinsohn im Interview
Warum gehen Sie davon aus, dass Design Menschen zusammenbringt?
Prof. Dr. Ralph Heinsohn:Ich denke, dass gerade Design und insbesondere Bewegtbildgestaltung gut geeignet sind, komplexe Sachverhalte verständlich aufzuarbeiten. Somit kann Inhalten eine Metaebene gegeben werden, wie z. B. eine Geschichte. Und wir Menschen brauchen Geschichten als emotionalen Zugang zu schwer zu vermittelnden Themen. Zum Beispiel beim aktuellen Thema Klimawandel. Hier können wir sehr gut über Fakten und Zahlen sprechen. Greifbar und emotional nachvollziehbar wird es für uns aber erst durch eine Erzählung, die unsere individuelle Lebensrealität berührt. Hier hilft das Design, den Absender einer Information mit dem Empfänger zusammenzubringen. Design ist der zusätzliche Layer, um auch Humor und Emotion zu vermitteln. So ist Design eine Art Übersetzungshilfe.
Um ganz von vorn anzufangen, wie würden Sie Design beschreiben?
Design ist die Funktion, inhaltliche Botschaften mithilfe ästhetischer Kodierung zielgruppengerecht zu vermitteln. Ich denke, Design ist eine Art Kommunikationshilfe, mit der wir Sachinformationen emotional und ästhetisch begreifbar machen können.
Wie hat sich Design verändert?
Die Funktion des Designs hat sich nicht wesentlich verändert, aber der Einsatz ästhetischer Bildsprachen. Bis vor einigen Jahren konnten wir viel eindeutiger Stile und Epochen referenzieren. Durch kulturelle und technologische Entwicklungen, speziell durch die Digitalisierung werden Stile und Epochenmerkmale im Kommunikationsdesign viel schneller „recycled“ und komplexer miteinander verwoben. Noch vor wenigen Jahren konnte man klar von Stilelementen z. B. der 60er und 70er Jahre sprechen. Gerade den älteren Generationen war immer klar, was damit stilistisch gemeint ist. Derart eindeutige Elemente gibt es für beispielsweise die 2010er Jahre nicht mehr. Es gibt sie schon noch, aber deutlich punktueller. Wir greifen heute viel differenzierter und kontextbasierter ästhetische Elemente heraus und vermischen diese vielschichtiger miteinander, häufig sogar in Echtzeit. Dadurch entstehen immer fluidere Übergange in den Stilwelten. Heute sind wir viel nuancenreicher geworden.
In einem Artikel über Sie habe ich folgendes Zitat entdeckt: Man spürt, dass die Hochschule Aalen in Bewegung ist und ein wegweisendes Profil verfolgt. Wohin führt diese Bewegung, von der Sie sprachen?
Ich glaube, speziell in meinem Studienbereich ist es so, dass wir den Einsatz von Design in kommunikativen und technischen Prozessen anders begreifen und vermitteln können. Die Mediengestaltung verändert sich zum einen aus stilistischer Sicht und zum anderen aus technischer Hinsicht. Viele ästhetische Aspekte werden in Zukunft technisch automatisierbar sein. Insofern ist es ganz elementar, dass die Menschen, die mit Design im Job zu tun haben, immer mehr lernen, konzeptionell und redaktionell zu arbeiten. Design hat außerdem nicht nur die visuelle, sondern auch die funktionale Ebene. Wir gestalten nicht nur Oberflächen, sondern auch Interaktionen, zum Beispiel bei der Gesten- und Sprachsteuerung oder bei der Navigation in immersiven Bildwelten. Gerade wenn wir KI als Werkzeug beim visuellen Design einsetzen, müssen wir nicht nur ästhetisch produzieren, sondern Design redaktionell einordnen können. Es wird dank der KI immer mehr um Kontextarbeit und Kontextualisierung gehen.
Sprich: KI wird zum Produzenten und der Mensch zur Korrekturinstanz?
Nein, nicht ausschließlich, aber die Rolle der Moderation wird bedeutender. Bisher zeichnen sich bei der KI gewisse Potenziale ab und beängstigen den ein oder anderen vielleicht auch. Wie tiefgreifend sich das Thema KI entwickelt, wird sich ja erst in den kommenden Jahren vollständig offenbaren. Noch sind die existierenden Algorithmen sehr davon abhängig, mit welchen Daten sie trainiert wurden, und damit auch mit Scheuklappen versehen oder mitunter fehlerbehaftet. KI ist und wird ein umfassendes Werkzeug, das unsere bisherigen ergänzt. Dennoch glaube ich, dass niemand so gut ist wie der Mensch, andere Menschen zu lesen und emotional zu begleiten. Und genau das wird uns die KI nicht abnehmen können. Aber mit Sicherheit werden in Zukunft viele Berufsbilder verändert werden.
Wie groß schätzen Sie das Potenzial von KI ein? Inwieweit wird sie unser künftiges Leben beeinflussen?
Ein Beispiel: In der digitalen Medienproduktion, speziell in der aufwendigen Computervisualisierung spielt es jetzt schon eine große Rolle, und die wird immer größer werden. Wo beispielsweise Bild-Hintergründe in digitalen 3D-Welten bislang sehr aufwendig „händisch“ angelegt werden mussten, lässt sich künftig mit KI radikal automatisieren bzw. vereinfachen. Das wird auch Einfluss darauf haben, wofür welche Budgets geplant und ausgegeben werden.
Welche Projekte sind in den kommenden Jahren im Mediendom geplant und inwieweit können Studierende ein Teil davon werden?
Für den Neubau beim Waldcampus, dem sogenannten „Digital Innovation Space“ gibt es Ideen und Pläne für ein „Digital Dome Theatre“, also ein interaktives und immersives 360-Grad-Kino-Theater, eine Art „Planetarium der Zukunft“ für die Wissenschaftskommunikation. Hier wollen wir die vielfältigen Themen der Hochschule visualisieren und in spannenden Veranstaltungen der Öffentlichkeit zugänglich machen. Studierende bekommen die Möglichkeit, für diese innovative Umgebung zu produzieren und damit tiefgreifende Erfahrungen zu sammeln, im Bereich des Information Design, der Medientechnik und -informatik und allgemein der Wissenschaftskommunikation mit einem Publikum. Das ist nicht nur lehrreich, sondern es macht vor allem Spaß.
Warum sind digitale Medien so beeindruckend für uns Menschen?
Ich glaube, hier spielen mehrere Komponenten eine Rolle. Die menschliche Wahrnehmung reagiert naturgemäß sehr sensibel auf Bewegung. Bewegte Objekte schnell wahrnehmen zu können ist für uns nicht nur überlebenswichtig, sondern es ist auch ein starker und unterhaltsamer Stimulus. Digitale Bewegtbildmedien machen sich das zunutze. Nicht umsonst sind Film, Video und Computeranimationen und -spiele so ein fesselnder Reiz. Und auch die intensive Farbigkeit digitaler Displays spielt eine Rolle. Moderne Displays bieten ein sehr leuchtkräftiges Farbspektrum, kompakt auf kleinem Raum, welches wir in unseren Händen halten und überall mit hinnehmen können. So viel Farbe und Bewegung haben wir in der Natur nicht häufig. Wenn wir auf diesen Geräten auch noch spannende Geschichten mit gutem Sound untermalt geboten bekommen, auf die wir auch noch interaktiv eingreifen können und per Social Media mit unseren Freunden teilen können, ist die Immersion perfekt. Auf eine riesige Welt von Inhalten mit einem Fingerwischen zugreifen zu können, ist für uns Menschen pure Magie!