Die Einsamkeit ist ein GesundheitskillerSpannende Podiumsdiskussion übers Altwerden in Aalen

Mo, 06. November 2017

„Zum Altwerden gibt es keine Alternative.“ Das stellt Roland Sing, Vizepräsident und Landesvorsitzender des VdK sowie Vorsitzender des Landesseniorenrats, zu Beginn fest. „Älter werden in unserer Stadt“ lautete das Thema des Podiums im Aalener Rathaus. Uta-Maria Steybe, Beauftragte für Chancengleichheit und demografischen Wandel, moderierte.

„Gibt es einen Zusammenhang zwischen Einsamkeit und vorzeitigem Sterben?“ Der Frage widmete sich Dieter Ahrens, Professor für Gesundheitsmanagement an der Hochschule Aalen. Er verwies auf eine Studie amerikanischer Wissenschaftler, wonach der Risikofaktor Einsamkeit ebenso relevant wie das Rauchen ist. „Zehn Prozent aller Deutschen leiden unter Einsamkeit, dies betrifft vor allem ältere Menschen.“

Trotz dieser Tatsache wollen viele ältere Menschen in ihren eigenen vier Wänden bleiben. Das weiß auch Manfred Zwick. Direktor des Albstifts Aalen. Sein Anliegen ist es „die Menschen so lange wie möglich zu Hause zu lassen, mit entsprechender Pflegestruktur“. Ein Beispiel für ein solches Konzept ist ein Pflegekompetenzzentrum, in dem Angehörige und Pflegebedürftige beraten, unterstützt und entlastet werden.

Josef Bühler stimmte seinen Vorrednern zu. „Die Krankenkassen stehen vor einer Riesenherausforderung, was die Demografie angeht“, sagte der Geschäftsführer der AOK Ostwürttemberg. Die Wünsche der älteren Generation lassen sich seiner Meinung nach mit Quartiersbildungen umsetzen. Ziele seien etwa ein wertschätzendes und gesellschaftliches Umfeld, die Barrierefreiheit öffentlicher Räume, ein barrierefreier Wohnungsbestand, der Aufbau einer strukturellen Nachbarschaftshilfe und wohnortnahe Beratung. „So was kann nicht nur mit professionellen Strukturen geschaffen werden. Deswegen werden in diesen Quartieren entsprechende Strukturen um das Ehrenamt benötigt.“ Ein entsprechendes Modellprojekt gebe es seit zwei Jahren in Heidenheim.

Die Kommunen sind also gefordert. „Haben wir überhaupt die Zeit etwas mit Modellprojekten auszuprobieren?“, fragte OB Thilo Rentschler. Seiner Meinung nach müsste man die Maßnahmen jetzt angehen. Weil es aber keine flächendeckende Komplettlösung gebe, müsse man jeden Sozialraum anders betrachten. Und: „Ohne Ehrenamt geht gar nichts.“ Das Auschlaggebende für Roland Sing „dass die Menschen aus ihrer Vereinsamung herauskommen“. Auch er ist ein Befürworter der Quartiersbildung.

„Es kommen keine jungen Ärzte nach“, klagt Rainer Gräter, Allgemeinmediziner und Gründer eines Medizinischen Versorgungszentrums in Aalen. In diesem MVZ haben Mediziner die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten. Das könne besonders für junge Mütter attraktiv sein. Immerhin seien 70 Prozent der Absolventen weiblich. Professor Ahrens spricht sich eher für Primärversorgungspraxen wie in Italien aus.

Für Sing hat das Älterwerden zunächst nichts mit Medizin zu tun, sondern mit einem lebenswerten Leben“. Wenn ältere Menschen eine Aufgabe hätten, komme die Frage „Was könnte mir heute fehlen?“ gar nicht erst auf. Und: Ein großer Aspekt beim Älterwerden sei die Teilhabe Sing nannte dieses Beispiel: „Wenn man für die betroffene Person einkaufen geht, dann hat man ihr geholfen. Wird die betroffene Person aber zum Einkaufen mitgenommen, bezieht man sie mit in eine Lebenssituation ein.“