Über den Tellerrand essenBeim „Drop-in Lunch“ der Hochschule Aalen können internationale Forschende Kontakte knüpfen, Infos sammeln und sich austauschen

Jeden Dienstag treffen sich internationale Nachwuchsforschende bei einem gemeinsamen Mittagessen. Rose Francis-Binder (hintere Reihe, 2.v.l.) und Dr. Lola Bulut (hintere Reihe, 4.v.r.) freuen sich, dass das Angebot so gut angenommen wird. Foto: © Hochschule Aalen | Saskia Stüven-Kazi
Zusammen is(s)t man weniger allein: Beim „Drop-in Lunch“ der Hochschule Aalen treffen sich jeden Dienstag internationale Nachwuchsforschende bei einem gemeinsamen Mittagessen und tauschen sich über ihrer Forschung, ihre Erfahrungen oder den nächsten Wochenendausflug aus. Oft schaut auch ein Überraschungsgast vorbei, der einen Einblick in ein bestimmtes Thema gibt. Organisiert wird das Ganze von „Embrace“, dem zentralen Service Center für internationale Forscherinnen und Forscher an der Hochschule Aalen. „Wir möchten ein offenes und inklusives Umfeld schaffen, in dem sich alle willkommen fühlen“, sagt Projektkoordinatorin Dr. Lola Bulut und fügt fröhlich hinzu: „Und wo sollte das besser gehen als bei der gemeinsamen Mittagspause? Essen verbindet über kulturelle Grenzen hinweg.“
Eine kleine Pause von der Ernsthaftigkeit im Labor
Es ist kurz nach zwölf Uhr. Im ersten Stock des WIN-Gebäudes der Hochschule Aalen ist eine lange Tischreihe aufgebaut. Daneben steht ein kleiner Servierwagen mit Kaffee, Tee, Wasser und Keksen bereit. Ester Hamatwi ist gerade aus dem Labor für Leistungselektronik und elektrische Antriebe gekommen und packt ihr Mittagessen aus, einen namibischen Eintopf mit Kartoffeln. In ihrer Heimat lehrt und forscht die Elektroingenieurin an der University of Namibia im Bereich nachhaltiger Energielösungen und ländlicher Elektrifizierung. „Mit meiner Forschung möchte ich die Energiewende in Afrika vorantreiben“, sagt die 32-Jährige, die im September für ihr Postdoktorat nach Aalen gekommen ist. Aktuell arbeitet sie an einer Modellierung hybrider erneuerbarer Energien, die Photovoltaik, Windenergie und Batteriespeichersystem integriert. „Es ist super, dass man beim Drop-in Lunch auf andere Forscherinnen und Forscher trifft, neue Perspektiven erlebt. Gerade wenn man noch nicht lange da ist, fühlt man sich durch dieses tolle Angebot miteinbezogen und nicht isoliert“, sagt Hamatwi. Lächelnd fügt die junge Frau hinzu: „Und es trägt mich weg von der Ernsthaftigkeit im Labor.“
Auch „Nichtforschende“ sind herzlich eingeladen
Als informelles Mittagstreffen richtet sich der „Drop-in Lunch“ speziell an internationale Forscherinnen und Forscher – als Ort, an dem sie Fragen stellen, Informationen einholen, ein wenig Deutsch üben oder einfach beim Mittagessen entspannen können. Aber auch „Nichtforschende“ sind herzlich eingeladen, daran teilzunehmen, Kontakte zu knüpfen und die Menschen kennenzulernen, die die Forschung an der Hochschule Aalen prägen. Jeder bringt sein eigenes Essen mit – und seine eigene Geschichte. „Beim gemeinsamen Essen kommt man so ganz nebenbei ins Gespräch, auch über Alltagsdinge“, sagt Dr. Lola Bulut, die das Projekt Embrace koordiniert. Als zentraler Service Center begleitet Embrace internationale Forschende sowohl vor, während als auch nach ihrem Aufenthalt in Aalen und steht ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR).
„Wenn wir miteinander sprechen, sind wir keine Fremde mehr“
„Wenn wir miteinander sprechen, sind wir keine Fremde mehr. Wir möchten, dass sich unsere ‚Internationals‘ – seien es Forschende oder Studierende – bei uns wohlfühlen“, betont Rose Francis-Binder vom International Center der Hochschule Aalen. Deshalb habe man in den vergangenen Jahren auch ein umfassendes Servicepaket entwickelt, um die „Internationals“ schnell in die Hochschule, die hiesige akademische Kultur, die Gesellschaft und ins Arbeitsumfeld zu integrieren. Eines der vielen Angebote sei der Drop-in Lunch, der die verschiedensten Themen miteinander verbindet. Die Gespräche schweifen von Forschungsschwerpunkten über den eigenen Weg aus der Heimat an die Hochschule Aalen bis hin zu Lieblingsfilmen und gemeinsamen Plänen für einen Städtetrip nach München.
Ein lebendiges Mosaik aus interessanten Gesprächen
Da ist beispielsweise Fatemeh Nobakht, die aus Teheran kommt und seit einem Jahr in Aalen lebt. Die 30-Jährige macht gerade den Forschungsmaster „Advanced Materials and Manufacturing“. „Es ist inspirierend, mit den anderen zu sprechen. Durch die familiäre Atmosphäre fühlt man sich nicht alleine. Es ist wie ein lebendiges Mosaik aus interessanten und fröhlichen Gesprächen.“ Toll sei auch, dass zu den Mittagessen jeweils ein Überraschungsgast komme. „Es ist immer jemand aus der Region dabei, der einen spannenden Einblick in ein bestimmtes Thema gibt oder aus seinem Leben erzählt – und so die ‚Internationals‘ mit der örtlichen Gemeinschaft und dem ‚German Way of Life‘ verbindet“, erläutert Francis-Binder das Konzept. So war beispielsweise schon ein Politiker, ein an Multiple Sklerose Erkrankter und eine Bibliothekarin zu Gast, was zu angeregten Diskussionen über Demokratie, das Leben im Rollstuhl oder neueste Technologien für Quellenforschung führte.
Engagement beim Familienpatenschaftsprogramm
An diesem Dienstag schaut eine Überraschungsgästin vorbei: Gabriele Köder-Weiss ist an der Hochschule Aalen keine Unbekannte, engagiert sie sich doch seit vielen Jahren auch beim Familienpatenschaftsprogramm, wo sich Patinnen und Paten außerhalb des „akademischen Settings“ um ausländische Studierende kümmern und ihnen bei der Integration in den deutschen Alltag helfen. Heute ist die 61-Jährige allerdings in ihrer Funktion als Leiterin der „Digital Services“ bei der Audi Planung GmbH (einer hundertprozentigen Tochter der Audi AG) mit 50 Mitarbeitenden zum Drop-in Lunch gekommen. Lebhaft berichtet Köder-Weiss über ihren beruflichen Werdegang: von der Bauzeichnerin über die Weiterbildung zur Wirtschaftsinformatikerin und die anschließende Tätigkeit als selbstständige Programmiererin bis zu ihrer heutigen Position bei der Audi Planung GmbH. Das Tochterunternehmen der Audi AG ist auf die Planung von Anlagen und Fertigungsstätten, die Optimierung von Produktionsprozessen sowie auf Digitalisierungsprojekte im Bereich Fabrikstrukturplanung spezialisiert.
Nächsten Dienstag wieder, neue Geschichten hören, neue Pläne schmieden
„Ich bin ein gutes Beispiel für die Vielfalt der Bildungswege in Deutschland“, sagt die dynamische Frau und lacht vergnügt. Und flugs ist die Tischgesellschaft von den „Digital Services“ beim Thema Künstliche Intelligenz angekommen. Angeregt unterhalten sich die Forschenden über die rasante Entwicklung der neuen Technologie. Auch Bhavesh Kothari klinkt sich interessiert in das Gespräch ein. Der gebürtige Inder lebt seit drei Jahren in Deutschland, wo er zunächst an der Uni Stuttgart seinen Master in Elektrotechnik absolviert hat. Seit März macht er nun seinen Master in „Applied Photonics“ an der Hochschule Aalen. Anschließend möchte er gerne promovieren. „Forschung ist mein Ding“, sagt der 25-Jährige und grinst. Der Drop-in Lunch sei einfach super: „Hier kommen viele interessante Leute. Jedes Land hat seine eigene Art zu denken. Diese verschiedenen Einblicke sind sehr bereichernd.“ Am Ende des Treffens bleibt das Versprechen: Nächsten Dienstag wieder, neue Geschichten hören, neue Pläne schmieden.