Das Wunderwerk des SehensEXPLOR-Förderprogramm unterstützt Prof. Dr. Christina Schwarz von der Hochschule Aalen

Prof. Dr. Christina Schwarz lehrt an der Hochschule Aalen Optometrie und forscht im Bereich der adaptiven Optik. Foto: © Hochschule Aalen | Saskia Stüven-Kazi

Do, 13. November 2025

Das Auge – ein kleines Organ mit großer Leistung. Es sammelt Licht, wandelt es in elektrische Signale um und lässt in einem hochkomplexen Zusammenspiel mit dem Gehirn Farben, Formen und Bewegungen lebendig werden. Ein Wunderwerk, das im Alltag oft als selbstverständlich erscheint. Doch sobald Erkrankungen oder Fehlsichtigkeit ins Spiel kommen, wird seine Kostbarkeit im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar. „Die Komplexität des Auges ist faszinierend und ein spannendes Forschungsobjekt“, sagt Prof. Dr. Christina Schwarz begeistert. Seit März 2025 lehrt die Professorin für Optometrie an der Hochschule Aalen und ist dabei, eine Forschungsgruppe zum Thema „Adaptive Optiken für die Optometrie“ (AdOpt) aufzubauen. Unterstützt wird die Physikerin jetzt durch das Förderprogramm EXPLOR der Abtsgmünder Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur.

Neuer Ansatz

Die Entwicklung von Sehhilfen wie Brillengläsern, Kontaktlinsen oder Implantaten wird immer komplexer. Moderne Designs nutzen spezielle Formen und Muster für ein besseres Sehen – beispielsweise asphärische Oberflächen, verschiedene Zonen wie bei Gleitsichtbrillen, oder Techniken, die die Tiefenschärfe erhöhen. Die visuelle Wirkung hängt allerdings stark von der individuellen Wahrnehmung der Person ab und lässt sich durch objektive Messungen nicht ausreichend erfassen. Vor allem das Sehen am Rand des Blickfelds spielt hier eine große Rolle. „Beim Treppensteigen mit Gleitsichtbrillen berichten zum Beispiel viele Trägerinnen und Träger über Unsicherheit bis hin zu Übelkeit. Das wird durch die verzerrte oder inkonsistente periphere Bildwahrnehmung ausgelöst“, erläutert Prof. Dr. Christina Schwarz. Der Einsatz von adaptiver Optik bietet hier einen neuen Ansatz: Sie kann sofort – also in Echtzeit – die Lichtwellen ändern, die ins Auge gelangen. So kann man direkt sehen, wie beispielsweise unterschiedliche Brillen oder Kontaktlinsen die Sicht auf der Netzhaut beeinflussen.

Maßgeschneiderte Brillen

„Ziel von AdOpt ist es, ein adaptives Optiksystem zu entwickeln und zu testen, mit dem neuartige Korrekturlösungen visuell simuliert und subjektiv bewertet werden können. Dadurch lassen sich die Produkte verbessern oder sogar individuell auf den Träger oder die Trägerin ‚zuschneidern‘“, sagt Schwarz. Hierfür soll im Laufe des Projektes auch ein Simulationsgerät entwickelt werden, um Sehtests durchzuführen, die das subjektive Empfinden erfassen. Auch die Myopiekontrolle ist ein Anwendungsbereich, den sie näher untersuchen möchte, um die fortschreitende Kurzsichtigkeit (Myopie) bei Kindern und Jugendlichen aufzuhalten. „Hier steht eine Optimierung der sogenannten Myopiekontrollgläser im Fokus. Das sind spezielle Brillengläser, die das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit verlangsamen oder sogar stoppen.“

Großes Interesse bei den Studierenden

Mit Unterstützung durch das Förderprogramm EXPLOR der Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur aus Abtsgmünd baut Christina Schwarz derzeit eine Forschungsgruppe zu diesen Themen auf. 50.000 Euro gehen jetzt an sie, mit denen die gebürtige Bruchsalerin nun viele optische Kleinteile wie Linsen, Prismen, Spiegel und Filter anschaffen sowie eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle finanzieren kann. „Dafür bin ich sehr dankbar. Das ist ein eine tolle Möglichkeit, meine Forschung an der Hochschule Aalen zügig anzustoßen“, freut sich die Wissenschaftlerin. Auch das Interesse der Studierenden sei sehr groß: „Es gibt viele Anfragen, ob man bei dem Projekt mitmachen kann.“

Von der Astronomie zur Augenoptik

Dabei standen Gleitsichtgläser, Myopiekontrolle und Kontaktlinsen zunächst nicht auf dem Zukunftsplan von Prof. Dr. Christina Schwarz, sondern die unendliche Weite des Sternenhimmels. Eigentlich wollte sie Astronomie studieren, die an deutschen Hochschulen meist als Studienschwerpunkt innerhalb eines Physikstudiums angeboten wird. So entschloss sich Schwarz, an der Heidelberger Universität Physik zu studieren – und kam währenddessen auch erstmals mit der adaptiven Optik in Berührung. Diese wird hautsächlich in der Astronomie eingesetzt, um mithilfe von verstellbaren Spiegeln durch Luftturbulenzen verursachte Unschärfen auszugleichen. Die gleiche Technologie kann aber auch aufs Auge angewendet werden. Dieser praktische Bezug hat sie gleich fasziniert – ebenso wie die hochaufgelösten Aufnahmen der Netzhaut. „Es hat etwas Bereicherndes, wenn man mit seiner Wissenschaft helfen kann“, sagt die 44-Jährige und fügt lachend hinzu: „Bei der Astronomie ist das natürlich sehr weit weg.“

Forschungsaufenthalten in Spanien und den USA

Der Anwendungsbezug war für Schwarz auch der ausschlaggebende Grund, ihren Master in Biomedizinischer Optik zu machen. In der sogenannten Biophotonik kommen Licht und optische Technologien in der Medizin zum Einsatz, beispielsweise bei der medizinischen Bildgebung, der Lasertherapie oder der Endoskopie. Und da sie ihr Wissen im Bereich der adaptiven Optik mit Bezug aufs Auge vertiefen wollte, diese aber weltweit nur an wenigen Universitäten gelehrt wurde, entschloss sich die Physikerin für eine Promotion im Bereich Vision Science an der spanischen Universidad de Murcia. Nach Forschungsaufenthalten in den USA und einer Tätigkeit als Forschungsgruppenleiterin an der Universität Tübingen wurde sie zum Sommersemester 2025 an die Hochschule Aalen auf die Optometrie-Professur berufen. Mit ihrer Expertise bringt sie sich außerdem auch am Zentrum für Optische Technologien (ZOT) der Hochschule ein.

Forschung als Grundbedürfnis

Dass sie hier jetzt ihre anwendungsbezogene Forschung mit der Lehre verbinden könne, hat die Physikerin an der Professur ganz besonders gereizt. „Den Austausch mit den Studierenden, ihre Entwicklung mitverfolgen zu können und die Theorie aus der Vorlesung ganz praktisch mit ihnen in den Laboren umzusetzen – das macht mir sehr viel Spaß. Und natürlich auch, die Begeisterung für die Forschung zu wecken“, sagt Schwarz mit einem verschmitzten Lächeln. Denn die Forschung ist ein Grundbedürfnis für die Frau mit den dunkelgelockten Haaren: „Das steckt ganz tief in mir drin. Ich möchte wissen, wie und warum etwas funktioniert, um es dann zu optimieren. Es ist sehr sinnstiftend, wenn man mit seiner Forschung ein Stückweit die Lebensqualität verbessern kann. Dass Menschen wieder besser sehen können, das motiviert mich ungemein.“

Faszination Mond

Bei aller Faszination fürs Auge – fürs Weltall und den Sternenhimmel kann sich Schwarz nach wie vor begeistern. Das Teleskop hat einen festen Platz am Wohnzimmerfenster und wird auch regelmäßig in den Garten geschleppt. Einen wissenschaftlichen Mitarbeiter hat sie hierfür auch schon: ihren vierjährigen Sohn, der sehr gerne den Mond beobachtet.