„Die Mathematik ist eine Problemlöserin“Förderprogramm EXPLOR der Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur unterstützt Prof. Dr. Mahyar Mahinzaeim beim Aufbau seiner Forschung

Geheimnisvolle Formeln und Gleichungen: Prof. Dr. Mahyar Mahinzaeim beschäftigt sich mit Stabilitätseigenschaften von unendlich-dimensionalen Systemen. Foto: © Hochschule Aalen | Vijay Aravind Rengaraj

Do, 28. März 2024

Sterne, Bäume, Wälder, Quelle – wenn man mit Prof. Dr. Mahyar Mahinzaeim spricht, fallen lauter bildhafte Begriffe über sein Fachgebiet, das vielen als ziemlich dröge gilt. Er aber schwärmt von der Schönheit der Mathematik. Mahinzaeim, der seit 2019 an der Fakultät Maschinenbau und Werkstofftechnik der Hochschule Aalen lehrt und forscht, beschäftigt sich mit den Stabilitätseigenschaften von unendlich-dimensionalen Systemen auf Netzwerken. Ein Thema, das noch Neuland ist und an dem derzeit weltweit rund zwei Dutzend Forschende arbeiten. Unterstützt wird der Mathematiker bei seiner Forschung jetzt durch das Förderprogramm EXPLOR der Abtsgmünder Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur.

Stift, Papier – und jede Menge Gehirnschmalz

Labore, spezielle Geräte oder experimentelle Aufbauten spielen bei Prof. Dr. Mahyar Mahinzaeim keine Rolle. „Stift und Papier reicht. Es ist eine sehr genügsame Forschung“, sagt der Wissenschaftler und fügt lachend hinzu: „Okay, und eine ordentliche Portion Gehirnschmalz und vor allen Dingen Zeit braucht es natürlich auch.“ Im Mittelpunkt seiner Forschung stehen der Beweis und die Analyse der Stabilitätseigenschaften abstrakter dynamischer Systeme oder – aktuell – der Beweis der exponentiellen Stabilität von sternförmigen Netzwerken durchströmter Kanäle.

Alltagstaugliche Beispiele

„Das ist zweifellos sehr abstrakt“, räumt Mahinzaeim ein und führt daher gleich ein paar alltagstaugliche Beispiele an: „Wenn das Wasser durch den Gartenschlauch strömt und sich ab einer bestimmten Strömungsgeschwindigkeit sein Ende hin- und herbewegt, sich Netzwerke von Hochspannungsleitungen oder sogar Fachwerkbrücken unter bestimmten Windbedingungen gefährlich aufschaukeln – solche durch Strömungen hervorgerufenen Schwingungen möchte man nicht haben. Die Frage ist, wie kann man diese stabilisieren?“ Denn für sogenannte unendlich-dimensionale Systeme sei es nicht immer einfach, die gewünschte Stabilisierbarkeit zu untersuchen. Hier könne die Mathematik wichtige Antworten liefern und zwar überall dort, wo man es mit Netzwerkstrukturen zu tun hat, die von Fluiden durch- oder umströmt werden.

Neuland

„Das Thema ist Neuland, es gibt noch nicht viele Ergebnisse, auf die dann Ingenieure und Physiker aufbauen können. Bislang gibt es noch keine Standardmethode, um insbesondere exponentielle Stabilität, die wünschenswerteste Form der Stabilität, zu beweisen. Mein Forschungsteam und ich wollen das ändern und den entsprechenden Beweis erbringen.“ Mahinzaeim leitet die Forschungsgruppe Infinite-Dimensional Systems am Research Center for Complex Systems. Er und seine wissenschaftlichen Mitarbeiter beschäftigen sich derzeit mit einer Vielzahl verwandter ungelöster Probleme.

Thema in Deutschland etablieren

Dass er hierbei jetzt durch das Förderprogramm EXPLOR der Abtsgmünder Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur gefördert wird, freut den leidenschaftlichen Mathematiker sehr. EXPLOR unterstützt neuberufene Professorinnen und Professoren der Hochschule beim Auf- und Ausbau erster Forschungsaktivitäten. „Das hilft uns enorm. Denn wir wollten dieses faszinierende und wichtige Thema, mit dem man sich bisher eher im Ausland beschäftigte, auch in Deutschland etablieren“, betont Mahinzaeim, der seit einigen Jahren in Schwäbisch Gmünd lebt, aber – wie er selbst sagt – „multiple Heimaten“ hat. Gebürtig aus Teheran, zog er im Alter von drei Jahren mit seiner Familie zunächst in die USA und kurz darauf nach Deutschland. Nach seinem Schulabschluss nahm Mahinzaeim 2003 sein Maschinenbaustudium in England an der renommierten Newcastle University auf und promovierte dort anschließend in Angewandter Mathematik.

Der Liebe wegen auf die Ostalb

Fast wäre Mahinzaeim, der mütterlicherseits aus einer alten und hochangesehenen persischen Familie stammt, im Vereinigten Königreich geblieben. Doch diese Rechnung hatte er ohne eine Schwäbisch Gmünderin gemacht, die zu jener Zeit gerade auf Urlaub in England war. „Der Liebe wegen bin ich 2012 zurück nach Deutschland und auf die Ostalb gezogen, ich konnte meine Frau nicht vom britischen Wetter und Essen überzeugen“, erzählt der zweifache Familienvater verschmitzt. Bis 2019 arbeitete Mahinzaeim bei Bosch in der Funktions- und Methodenentwicklung, doch sein Ziel war es immer, in den akademischen Bereich zurückzukehren. Da kam die Professur für Strukturmechanik / Finite-Elemente-Methoden an der Hochschule Aalen gerade recht.

Eine universelle Sprache

„Ich hatte eine tolle Zeit in der Industrie, aber die Hochschule bietet unglaublich viele Gestaltungsmöglichkeiten in der Lehre und in der Forschung. Man ist einfach freier“, sagt Mahinzaeim, der auch ein großer Literatur- und Musikliebhaber ist. Aber das liegt für einen Mathematiker ja auch nicht so fern, wie es vielleicht zunächst erscheint. Denn schließlich kommen auch in der Musik Anordnungen von Zahlenreihen, Zählweisen, proportionale Verhältnisse und Muster sowie Schwingungen zum Tragen. „Und genau wie die Musik ist auch die Mathematik eine universelle Sprache“, findet Mahinzaeim.

Eine Problemlöserin

Dass er jetzt mit seiner EXPLOR-Forschung ein Stück zu dieser universellen Sprache beitragen kann, ist dem Wissenschaftler eine Herzensangelegenheit. „Wer denkt, dass in der Mathematik schon alles bekannt ist, irrt gewaltig. Es wäre wirklich großartig, wenn wir mit unserer Forschung eine Standardmethode für einen exponentiellen Stabilitätsnachweis entwickeln könnten. Denn die Mathematik ist kein Problem, wie viele immer denken, sondern eine Problemlöserin.“ Dafür braucht Mahinzaeim keinen Beweis.