„Die Dankbarkeit ist überwältigend“Hörakustiker der Hochschule Aalen helfen Hörgeschädigten in Jordanien

Vertretungsprofessor Dr. Steffen Kreikemeier beim Hörtest mit einem jordanischen Jungen.

Fr, 18. März 2016

Wann hat man schon mal die Gelegenheit, in Autos mit Diplomaten-Kennzeichen zu fahren? Oder in den Arbeitspalast des jordanischen Königs in Amman geladen zu werden? Wenn Bernhard Buschle von seinen Erlebnissen in Jordanien spricht, spürt man aus jedem Satz Begeisterung. „Die schönste Erfahrung aber war die große Dankbarkeit der Leute.“ Der Hörakustiker war Teil eines Teams der Hochschule Aalen, das jetzt für ein Hilfsprojekt in den Wüstenstaat gereist war, um Menschen mit Gehörproblemen zu helfen.

Vor zwei Jahren startete der jordanische Kronprinz Al Hussein bin Abdullah II die Initiative „Hearing Without Borders“, die sich die Beseitigung von Hörbehinderungen zum Ziel gesetzt hat. Prof. Dr. Annette Limberger vom Studiengang Augenoptik und Hörakustik an der Hochschule Aalen arbeitet eng mit der Initiative zusammen und pflegt seit einigen Jahren Kontakte in den Wüstenstaat. Angefangen hat alles mit der Allgäu-Orient-Rallye, eines der verrücktesten automobilen Abenteuer der Welt. Die Rallye führt in der Regel rund 7000 Kilometer von Oberstaufen nach Jordanien und hat einen karitativen Charakter. Ein Team besteht aus sechs Fahrern und drei Autos, wobei diese mindestens 20 Jahre alt sein müssen oder nicht mehr als jeweils 1111,11 Euro kosten dürfen.

„Die Autos werden quasi als rollendes Ersatzteillager eingeführt“, sagt Limberger und lacht. Anschließend werden sie verkauft, um mit dem Erlös Hilfsprojekte zu finanzieren. „2008 hat mich ein Bekannter gefragt, ob ich bei der Rallye mitmache“, erinnert sich die HNO-Ärztin. Ein spannendes Abenteuer für einen guten Zweck, fand die leidenschaftliche Motorradfahrerin und sagte spontan zu. Gemeinsam stellten sie das Team „Lauschangriff“ auf die Beine, bei dem auch Studierende des Studiengangs Augenoptik und Hörakustik mitmachten. Verbunden wurde das Ganze mit einem eigenen Hilfsprojekt, um bei bedürftigen Menschen ärztliche Untersuchungen, Gehörtests und die Anpassung von Hörgeräten durchzuführen. Unterstützt wurden sie damals wie heute von Sakher Al Fayez, Angehöriger einer der einflussreichsten Beduinenfamilien mit Verbindung zum Königshaus und inzwischen Direktor der Initiative „Hearing Without Borders“.

Hören als Voraussetzung für die Sprachentwicklung

Auf Einladung des jordanischen Kronprinzen war jetzt wieder ein Team der Hochschule Aalen vor Ort, um Menschen mit Gehörproblemen zu helfen. „Wir sind in verschiedene Dörfer gereist und haben rund 300 Leute, darunter auch viele Kinder, behandelt“, berichtet Bernhard Buschle, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Studiengang Augenoptik und Hörakustik. Viele kamen mit schweren Ohrinfektionen, hatten kein Trommelfell mehr oder die Ohren waren durch jahrzehntelange Feldarbeit so verschmutzt, dass das Hörvermögen stark beeinträchtigt war. Nach der ohrenärztlichen Untersuchung wurden Hörtests gemacht und bei Bedarf Hörgeräte angepasst, die von mehreren Firmen gesponsert wurden. Bei manchen war das Gehör so schlecht, dass nur noch ein Cochlea-Implantat helfen kann. „Gerade bei Kindern ist hier Hilfe ganz wichtig, denn das Hören ist eine grundlegende Voraussetzung für eine normale Sprachentwicklung. Ein Kind, dass nicht gut hört, kann auch nicht gut sprechen lernen“, betont Prof. Dr. Annette Limberger. Durch die Zusammenarbeit mit der Initiative des Kronprinzen könne man aber auch glücklicherweise einigen dieser Fälle die entsprechende Unterstützung geben – gemeinsam mit dem Verein „SINN-voll helfen“, den Studierende und Mitarbeiter des Studiengangs vor sechs Jahren gegründet haben.

„Obwohl die Arbeitsbedingungen in keiner Weise vergleichbar sind, hat alles erstaunlich problemlos funktioniert“, zeigt sich Buschle beeindruckt und fügt lachend hinzu: „Ganz oft haben wir uns sozusagen mit Händen und Füßen verständigt.“ Insgesamt war das Aalener Team zu siebt unterwegs: Neben den beiden Medizinern Prof. Dr. Annette Limberger und Vertretungsprofessor Dr. Steffen Kreikemeier, sowie den beiden wissenschaftlichen Mitarbeitern Bernhard Buschle und Benjamin Lanzinger waren auch die drei Studierenden Alina Pöhlmann, Anja Bornhorst und Simon Mecke mit von der Partie. „Der Lerngewinn für die Studenten ist hoch“, betont Prof. Dr. Annette Limberger, „man muss sehr gut improvisieren lernen, Sprachbarrieren überwinden, hat nur wenig Zeit zur Verfügung und nicht die üppige Materialausstattung wie zu Hause.“


Tief beeindruckt war das Team auch von der großen Dankbarkeit ihrer Patienten. „Ein zehnjähriger Junge mit einem sehr starken Hörverlust hat ein Hörgerät bekommen. Er ist uns vor lauter Freude um den Hals gefallen, als er endlich wieder was hören konnte. Der Bub ist uns nicht mehr von der Seite gewichen und hat uns geholfen, wo er konnte“, erzählt Bernhard Buschle mit bewegter Stimme. „Wenn man die strahlenden Gesichter sieht – das ist einfach überwältigend“, sagt Prof. Dr. Annette Limberger. Die nächste Reise ist bereits angedacht. Denn die Zusammenarbeit mit der Initiative des jordanischen Kronprinzen soll ausgeweitet werden: „Wir möchten in Jordanien ein Netz von Audiologen aufbauen, die für Diagnostik und Versorgung zuständig sind. Hier wollen wir bei der Ausbildung mithelfen“, sagt Limberger.


INFO: Der Verein SINN-voll helfen freut sich über Unterstützung. Spendenkonto:

SINN-voll helfen e.V.

Konto-Nr: 1000 467 958

Bankleitzahl: 614 500 50

Kreissparkasse Ostalb