Recht gestalten – Wirtschaft steuern: Ein neuer Weg an der Hochschule Aalen

Recht gestalten - Wirtschaft steuern: Prof. Dr. habil. Patrick Ulrich und Prof. Dr. jur. Jürgen Strauß sprechen über den neuen Bachelor Wirtschaftsrecht. Foto: © Hochschule Aalen | Natalie Sorg

Mi, 21. Mai 2025

Wirtschaftsrecht vereint die stringente Präzision juristischer Analyse mit betriebswirtschaftlichem Praxisbezug – eine Kombination, die in Zeiten digitaler Transformation, wachsender Compliance-Anforderungen und globaler Vernetzung immer stärker nachgefragt wird. Der neue Bachelorstudiengang an der Hochschule Aalen setzt genau hier an: Mit einem interdisziplinären Curriculum aus 55 % rechtswissenschaftlichen, 35 % betriebswirtschaftlichen und 10 % methodisch-sozialen Kompetenzen schaffen wir Absolvent:innen, die sowohl klassische Rechtsgebiete als auch moderne Zukunftsthemen wie Compliance, Legal Tech und digitale Transformation beherrschen.

In unserem Interview sprechen wir mit den Köpfen hinter diesem Studiengang: Prof. Dr. jur. Jürgen Strauß, dem Gründungsdekan und Prof. Dr. habil. Patrick Ulrich, dem Initiator und Leiter des Studienbereichs. Gemeinsam erläutern sie, wie dieser innovative Ansatz Studierenden exzellente Karriereperspektiven eröffnet und welche Kompetenzen sie für das Zusammenspiel von Recht und Wirtschaft mit auf den Weg bekommen.

Benjamin Nothacker (BN): Herr Prof. Dr. Strauß, können Sie uns zunächst einen Überblick darüber geben, was diesen Studiengang besonders macht?

Prof. Dr. Strauß (JS): Gerne. Das Besondere an dem Studiengang ist der interdisziplinäre Ansatz; Wirtschaftsrecht umfasst 55% Jura, 35% BWL und 10% Soft Skills. Die Lehre ist praxisorientiert und zusammen mit Praxissemester, Wahlfächern und der Abschlussarbeit verfolgen wir eine klare Fokussierung auf mögliche Berufsfelder für unsere künftigen Absolventen.


BN: Welche inhaltlichen Schwerpunkte setzen Sie in diesem Programm, und wie gelingt die Verbindung von Recht und Wirtschaft?

Prof. Dr. habil. Ulrich (PU): Das Programm haben wir konsequent von den Bedürfnissen in den Unternehmen und damit von den möglichen Berufsfeldern von Absolventen des Studiengangs Wirtschaftsrecht her entwickelt. Als Leiter des „Aalener Institut für Unternehmensführung“ (AAUF) kenne ich die Situation in den meist mittelständischen Unternehmen sehr gut. In bestimmten Unternehmensbereichen sind die Anforderungen des nationalen und europäischen Rechts so anspruchsvoll geworden, dass die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse allein nicht mehr ausreichen, um den Aufgaben gerecht zu werden. Ohne die zugrunde liegenden kaufmännischen Perspektiven zu kennen, geht es aber auch nicht, weshalb die Beschäftigung von Volljuristen meist keine gute Option ist. Genau dort sehen wir künftige Absolventen des Studiengangs.

JS: Natürlich berücksichtigen wir die klassischen Themen und Bereiche des Wirtschaftsrechts: Grundlagen des Rechts, Zivilrecht, Vertragsrecht, Handelsrecht, Arbeitsrecht, öffentliches Wirtschaftsrecht, Steuerrecht, Wirtschaftsstrafecht. Aber daneben werden wir die Studierenden mit topaktuellen Themen und Entwicklungen vertraut machen: Legal Tech – also die softwaregestützte Erledigung von Aufgaben mit juristischem Hintergrund, Stichworte „smart contracts“ oder „intelligente Dokumentenautomatisierung“. Ein weiteres Thema der Zukunft ist „KI im Wirtschaftsrecht“. Ohne vernünftige Grundkenntnisse über Software und Datenbanken („Wirtschaftsinformatik“) geht da nichts; deshalb ist auch die Vermittlung solcher Grundlagen vorgesehen. „Wir integrieren traditionelle juristische Fächer wie Vertrags- und Handelsrecht mit wirtschaftlichen Grundlagen, etwa aus BWL und Rechnungswesen. Die Studierenden profitieren dabei von einem Curriculum, das auch moderne Themen wie Compliance, Legal Tech und digitale Transformation behandelt.

PU: Zu der Verbindung von Recht und Wirtschaft will ich ergänzen, dass es diese in der Praxis ja längst umfangreich gibt. In jeder Personalabteilung ist die Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften Alltagsgeschäft. Aber ganz besonders deutlich wird die enge Verbindung von Wirtschaft und Recht im Bereich Compliance, wo es gerade darum geht, die unternehmerischen also kaufmännischen Aktivitäten – um die es im Kern ja geht – so zu gestalten, dass damit keine Verletzung externer Normen – also Gesetzen – oder interner Regelwerke geschieht. Compliance hat eine stetig wachsende Bedeutung in den Unternehmen.

BN: Welches Lehrkonzept legen Sie in dem Studiengang zugrunde und welche didaktischen Elemente kommen zum Einsatz? Ihr Studienkonzept legt großen Wert auf den Theorie-Praxis-Transfer. Wie setzen Sie diesen in Ihren Lehrformaten konkret um?

JS: In den Anfangssemestern geht es darum, die theoretischen Grundlagen in beiden Bereichen zu legen. Deshalb werden in diesen Semestern traditionelle Lehrformate die Regel sein. Allerdings werden wir unseren Studierenden von Anfang an die Möglichkeit geben, ihre persönlichen Fähigkeiten jenseits fachlicher Inhalte zu entwickeln und unter Beweis zu stellen. Dabei geht es um Englisch als Wirtschaftssprache, um Kommunikation, um Grundlagen akademischen Schreibens und Forschens und um die Nutzung digitaler Instrumente, klassischer Office Software und juristischer Datenbanken. In den höheren Semestern finden dann vermehrt Lehrveranstaltungen mit Gruppenarbeiten und im seminaristischen Stil statt; auch Projektarbeiten sind vorgesehen. Außerdem geben wir den Studierenden die Möglichkeit, durch Wahlfächer eigene Schwerpunkte zu setzen. Und es kommen Dozenten aus der Praxis zum Einsatz, die ihre Erfahrungen aus der aktuellen betrieblichen Praxis einbringen. Aus akademischer Sicht ist die Bachelorarbeit als eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit einem praxisbezogenen Thema der Höhepunkt am Ende des Studiums.

PU: Zusätzlich integrieren wir moderne Technologien und digitale Medien in den Unterricht. Zwar sind wir eine Präsenzhochschule, dennoch nutzen wir auch für das Studium die Werkzeuge, die in den Unternehmen zum Alltag gehören, wie Online Veranstaltungen, Lernplattformen und web-basierte Lehre.

BN: Welche Zielgruppe möchten Sie mit diesem Studiengang ansprechen und welche beruflichen Perspektiven eröffnen sich den Absolventen?

JS: Wir sprechen vor allem Studierende an, die sich für wirtschaftliche und rechtliche Fragestellungen begeistern und dabei ihre analytischen und methodischen Kompetenzen vertiefen wollen. Bei uns steht die strukturierte Analyse von Daten und rechtlichen Sachverhalten im Mittelpunkt, was den Studierenden hilft, fundierte Entscheidungen zu treffen.

PU: Unser Studiengang richtet sich an ambitionierte junge Menschen, die nicht nur fundierte fachliche Kompetenzen in den Bereichen Recht und Wirtschaft erwerben möchten, sondern auch großen Wert auf die Entwicklung ihrer persönlichen und sozialen Fähigkeiten legen. Neben dem fachlichen Know-how fördern wir gezielt Soft Skills wie Teamfähigkeit, Kommunikationskompetenz, Problemlösungsfähigkeiten und ethisches Verantwortungsbewusstsein. Diese Eigenschaften sind insbesondere in interdisziplinären Arbeitsumfeldern und in Führungspositionen unverzichtbar. Die praxisnahen Lehrinhalte und engen Kooperationen mit der Wirtschaft ermöglichen unseren Absolventen einen Einstieg direkt in operative Bereiche (Personal, Steuern, Recht) oder in einschlägige Traineeprogramme. Aber auch strategische Positionen sind denkbar, wo sie sowohl ihre fachlichen als auch persönlichen Qualitäten optimal einbringen können; beispielsweise Beratung in unterschiedlichen Themenfeldern (Unternehmensberatung, Steuern, Recht, Sanierung) kann ich mir sehr gut als Tätigkeitsfeld vorstellen.

BN: Können Sie uns konkrete Beispiele für die Kooperationen und praxisnahen Projekte nennen, die den Studiengang so besonders machen?

PU: Dafür ist es derzeit noch zu früh, da solche Projekte erst in höheren Semestern stattfinden können; allerdings haben wir schon in der Phase der Entwicklung des Studienganges Kontakte zu mittelständischen Unternehmen aus der Region aufgebaut. Sowohl aus der Industrie als auch aus dem Bereich der freien Berufe und Dienstleister. Dabei sind wir auf großes Interesse gestoßen und haben eine große Bereitschaft festgestellt, unsere Studenten durch Stellen für das Praxissemester und Beiträge zur Lehre – bspw. durch Praxisprojekte – zu unterstützen. Durch gezielte Praxissemester und projektbasierte Aufgaben wird der Theorie-Praxis-Transfer nachhaltig gefördert. Die Zusammenarbeit mit externen Partnern schafft einen wertvollen Dialog zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, der den Studierenden einzigartige Einblicke gewährt.

JS: Ich darf noch ergänzen, dass wir auch im Bereich der Internationalisierung von den Partnerschaften anderer Studiengänge profitieren werden. Der Studienplan sieht ausdrücklich vor, dass Studierende für ein Semester an eine ausländische Hochschule gehen können, ohne die Dauer des Studiums zu verlängern. Dank der umfangreichen Aktivitäten des Studiengangs „Internationale Betriebswirtschaft“ im Bereich der Internationalisierung können wir auf ein bestehendes Netzwerk internationaler Partnerhochschulen zurückgreifen.

BN: Zum Abschluss: Welchen Rat geben Sie angehenden Studierenden, die diesen zukunftsweisenden Studiengang wählen möchten?

JS: Ich empfehle, stets neugierig und offen für interdisziplinäre Ansätze zu bleiben. Der Studiengang Wirtschaftsrecht wird Sie befähigen, selbstständig und kreativ an komplexe Fragestellungen zu arbeiten – genau das ist der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg.

PU: Mein Tipp für die künftigen Studierenden lautet: Nutzen Sie die zahlreichen Angebote, theoretisches Wissen zu praktischen Fähigkeiten und bauen Sie frühzeitig ein Netzwerk auf. Die Kombination aus fundiertem Fachwissen und praxisnahen Erfahrungen wird Sie optimal auf Ihre berufliche Zukunft vorbereiten.