Wenn der Erfahrungsschatz in Rente gehtEXPLOR-Förderprogramm der Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur unterstützt Prof. Dr. Tilman Traub von der Hochschule Aalen

Do, 17. Oktober 2024

Fehlende Fachkräfte und Babyboomer, die in den kommenden Jahren in Rente gehen: Mit dem Ausscheiden langjähriger Mitarbeitender geht dem produzierenden Gewerbe häufig auch wertvolles Erfahrungswissen verloren. Während Unternehmen mit vielen Beschäftigten dies häufig noch auffangen können, stellt dies gerade für kleinere Unternehmen eine hohe Herausforderung dar. Prof. Dr. Tilman Traub von der Hochschule Aalen sieht in der intelligenten Automatisierungstechnik das Potenzial, diese Lücke zu schließen. Seit kurzem wird er durch das Förderprogramm EXPLOR der Abtsgmünder Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur unterstützt.

Weitergabe des Erfahrungswissens von Generation zu Generation 

Die Produktionsmaschine klingt geringfügig anders als sonst, abweichende Temperaturen oder ein fehlerhaftes Detail, das kaum ins Auge springt – ein erfahrener Mitarbeiter weiß sofort, wie er reagieren muss, um Produktionsausfälle zu vermeiden. Insbesondere der Verlust von Erfahrungswissen in der Belegschaft stellt Unternehmen aktuell vor massive Herausforderungen. Dieser Erfahrungsschatz wurde häufig über das gesamte Berufsleben aufgebaut und von Generation zu Generation weitergegeben. „Doch kürzere Betriebszugehörigkeiten und der Mangel an jungen Fachkräften durch den demografischen Wandel gefährden diese bewährte Art der Weitergabe von Wissen. Denn dieses ist oft nur unbewusst in den Köpfen der Mitarbeitenden abgespeichert“, sagt Prof. Dr. Tilman Traub. Mit neuen Ansätzen aus dem Bereich der intelligenten Automatisierungstechnik und dem damit verbundenen Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) möchte er die Produktion zukünftig effizienter gestalten.

„Die Maschine mit ihren Sensoren muss zu fühlen lernen“

Sein Fokus liegt dabei vor allem auf Kleinserien in der Produktion, die sich oft deutlich von der Massenfertigung unterscheiden und Sonderprozesse erfordern. „Die Herausforderung besteht darin, dass aufgrund geringer Stückzahlen oder häufiger Designanpassungen keine großen Datensätze zur Verfügung stehen, auf die KI-Systeme aufbauen können. Mit dem Ansatz, den wir an der Hochschule verfolgen, sollen langjährige Beschäftigte auf der Basis ihres Erfahrungswissen das KI-System immer wieder nachjustieren können“, erläutert Traub. So könne langfristig ein rein mechanischer und erfahrungsgeprägter Prozess in einen digitalen, autonomen Prozess überführt werden. „Die Maschine mit ihren Sensoren muss sozusagen zu fühlen lernen“, lacht der jugendliche 36-Jährige, der fast selbst noch wie ein Student wirkt.

Gleich mit der Forschung loslegen

Dass Traub jetzt durch das Förderprogramm EXPLOR der Abtsgmünder Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur gefördert wird, freut den gebürtigen Würzburger sehr. „Die Automatisierungstechnik ist ein extrem dynamisches Feld, es ist wichtig hier am Ball zu bleiben. Das Programm erlaubt neuen Professorinnen und Professoren gleich mit ihrer Forschung loszulegen – eine Riesensache für mich und extrem wertvoll.“ Und ziemlich neu ist Traub tatsächlich, wurde er doch zum Sommersemester 2024 auf die Professur für Automatisierungstechnik in der Fertigung an die Hochschule Aalen berufen. Durch Maschinenbau-Studium und Promotion an der TU Darmstadt sowie Tätigkeit als Innovationsleiter in einem renommierten Unternehmen für Rollformanlagen sieht er sich besten gewappnet, um das neue Projekt erfolgreich umsetzen zu können. Und das an einer Hochschule, die für ihre Forschungsstärke bekannt ist, und deren Umfeld vielfältige Möglichkeiten für Kooperationen mit regionalen Unternehmen bietet.

Ausprobieren und Spaß haben

„Mein langfristiges Ziel, wieder an eine Hochschule zurückzugehen, hat dann ziemlich kurzfristig geklappt“, sagt Traub schmunzelnd. Bereits als Gymnasiast hat er mit Nachhilfe für seine Schulkameraden sein Taschengeld aufgebessert und später während seiner Promotion Studierende unterrichtet. „Das Erklären hat mir immer viel Spaß gemacht.“ Und dass er jetzt Lehre mit anwendungsorientierter Forschung verbinden könne, sei einfach klasse. Für ihn braucht auch die Theorie den Fokus, wofür man sie anwenden kann: „Wo geht das Ganze hin? Wie kann der Transfer in ein Produkt gelingen? Die Forschung bietet die Möglichkeit, Neues mitzugestalten“. Schon als kleiner Steppke begeisterte er sich für Technik, und diese Begeisterung möchte er auch an seine Studierenden weitergeben. „Bei uns stand der Werkzeugkasten im Keller immer offen. Meine Eltern waren da sehr entspannt“, erinnert sich Traub und fügt sinnierend hinzu: „Manchmal habe ich den Eindruck, dass da heutzutage ein wenig zu verbissen drangegangen wird. Entweder werden lauter potenzielle Verletzungsgefahren gesehen oder es soll einen pädagogischen Wert haben. Ich finde, dass muss es nicht. Ausprobieren und dabei Spaß haben – das ist doch die Basis von allem.“