KI für die Industrie in der BoxProf. Dr.-Ing. Marcus Liebschner verknüpft ressourceneffizient bestehende Strukturen mit Künstlicher Intelligenz

Prof. Dr.-Ing. Marcus Liebschner (links) und Moritz Benninger mit der "schlauen" grauen Box. © Hochschule Aalen | Dr. Valentin Nagengast

Sa, 04. März 2023

Wie kann man Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz (KI) in bereits bestehende Strukturen in Unternehmen einbinden und die vorhandenen Ressourcen damit effizienter nutzen? Das ist eine der zentralen Fragen, mit der sich Prof. Dr.-Ing. Marcus Liebschner in seiner Forschung beschäftigt. Liebschner liegen dabei besonders auch kleine und mittlere Unternehmen am Herzen: „Der Einsatz der Technik muss immer einen Nutzen haben und den Menschen unterstützen. KI ist sehr vielseitig und bietet uns die Möglichkeit, Mehrwerte zu schaffen, Ressourcen zu schonen und die Qualität zu verbessern.“ 

Liebschners Fokus liegt speziell auf Methoden aus dem Machine Learning, einem Teilbereich der KI, für nachhaltige, möglichst einfach umzusetzende Lösungen. Dabei bringt er Maschinen das selbständige Lernen bei und benötigt „nur“ eine oder mehrere kleine („schlaue“) graue Boxen. 



Den 04. März erklärte die UNESCO-Generalkonferenz vor vier Jahren zum Internationalen Tag des Ingenieurwesens für nachhaltige Entwicklung. Denn tagtäglich setzen sich weltweit Ingenieurinnen und Ingenieure für eine nachhaltige Gesellschaft ein – auch in zahlreichen Forschungsprojekten der Hochschule Aalen. Zur gezielten und effizienteren Nutzung beispielsweise forscht Prof. Dr.-Ing. Marcus Liebschner an Methoden der Künstlichen Intelligenz − für ressourcenschonende, nachhaltigere Lösungen z.B. in der Industrie. Den Grundstein legte ein gefördertes Projekt, u.a. mit Online-Monitoring von Photovoltaikanlagen: „SMASA – Smart Grids und Speicher Sachsenhausen“.

Zustand von Anlagen schnell beurteilen und für höhere Effizienz sorgen 

Die große Herausforderung zur intensiveren Nutzung Erneuerbarer Energien besteht darin, dass ihre Verfügbarkeit großen Schwankungen, möglichen Verschlechterungen und eventuell Ausfällen unterliegt. Ausschlaggebend ist hier das Maximum über die Lebensdauer aus den Anlagen herauszuholen. Mit diesem Ziel entwickelte das Team um Liebschner eine kleine „schlaue graue Box“. Sie misst den Stromfluss und wertet die Daten anschließend mit Machine-Learning-Methoden aus. Liebschner erklärt: „Der Grundgedanke besteht darin, mithilfe einer oder mehreren kleinen grauen Boxen spezielle Messdaten wie Strom oder Spannung aufzunehmen. Diese Daten werden anschließend mithilfe von Machine-Learning-Algorithmen ausgewertet, um damit den aktuellen Zustand der Anlage beurteilen zu können.“ Das Praktische an diesem Ansatz? Er lässt sich schnell und gewinnbringend übertragen − auf andere Unternehmen, unterschiedliche Branchen und Anwendungen.

Bereits von Beginn an wird Liebschner von Forschungsmitarbeiter Moritz Benninger unterstützt, der aktuell auf dem Themengebiet der intelligenten Überwachung und Diagnose von Maschinen seine Doktorarbeit anfertigt – in Kooperation mit der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Zusammen mit den Projektpartnern erkannten sie die Potenziale der Zukunftstechnologie. Gemeinsam arbeiten sie seitdem daran, diese auch in anderen Gebieten nutzbar zu machen. Liebschner: „Ein Forschungsthema sowohl in der angewandten Praxis als auch im Rahmen eines Promotionsverfahrens begleiten zu dürfen ist ideal − sowohl zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses als auch für unsere Industrie: hier in der Region und darüber hinaus.“

Wissen und Erfahrungen in der Sägeindustrie nutzen 

Neue Möglichkeiten bietet hier eine Branche, die zunächst weit von Künstlicher Intelligenz entfernt zu sein scheint: die Sägeindustrie. Sie nutzt ihre Maschinen über einen langen Zeitraum. Auftretende Defekte führen zu einem direkten Produktionsstillstand. Um den Produktionsprozess langfristig effizienter zu gestalten, wurde den analogen Maschinen ein smartes Online-Monitoring-Update mit Machine Learning verpasst. Möglich wurde dies durch das Projekt „SmartSaw“. Es wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK, zuvor BMWi) im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM-Netzwerk „PredIkt“) gefördert und Ende des Monats abgeschlossen werden. Auch hier werden verschiedene Parameter durch kleine graue Boxen aufgenommen und anschließend mithilfe von KI ausgewertet, sodass eine Auskunft über den Zustand der Maschine gegeben werden kann.

Zukunftspotenziale weiteren Unternehmen aufzeigen

Ziel ist, die erarbeiteten Online-Monitoring-Systeme so weiterzuentwickeln, dass sie in unterschiedlichsten Anwendungsszenarien und Anwendungen universell eingesetzt werden können, ohne dass diese jeweils individuell erforscht werden müssen. Dann ließen sich Ergebnisse rasch z.B. auf weitere Industrieanlagen übertragen, um eine selbstständige Überwachung von Maschinen zu ermöglichen.

„Wir möchten aktuell und auch künftig unseren Beitrag in der Forschung und Entwicklung leisten. Dazu identifizieren wir Potenziale und möchten die Möglichkeiten der Anwendung von Machine Learning auch weiteren Unternehmen aufzeigen. Gemeinsam werden wir den Fortschritt in der Anwendung weiter vorantreiben“, zeigt sich Prof. Dr.-Ing. Marcus Liebschner optimistisch und offen für neue Kooperationen.