Faszination der Materialmikroskopie 51. Metallographie-Tagung der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde an der Hochschule Aalen

Th, 21. September 2017

Wie alte Freunde begrüßten sich viele Metallographinnen und Metallographen vor und in den Tagungsräumen der Hochschule Aalen, die sich trotz herbstlich regnerischem Wetter die Vorfreude auf die kommenden Tage nicht nehmen ließen. Unterstrichen wird dies durch die herzliche Begrüßung vom Hausherrn - Rektor Prof. Dr. Gerhard Schneider – der derzeit zugleich Vorsitzender des Fachausschusses Materialographie der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde e.V. (DGM) ist. Immerhin drei Personen meldeten sich auf die Frage, wer denn bereits im Jahre 1971 auf der 6. Metallographie-Tagung an der Hochschule Aalen zugegen war. Ihren Ursprung hatte die renommierteste Tagung für Materialmikroskopie 1963 in Leoben, vergangenes Jahr war 50. Jubiläum in Berlin. Der Standort Aalen ist für diese Art der Veranstaltung bestens geeignet. Die Region Ostwürttemberg hat eine weit zurückreichende Geschichte der Metallurgie, seit 1365 ist belegt, dass Eisenerz verhüttet wird, erst durch das Herzogtum Württemberg, später durch die Fürstpropstei Ellwangen. Die Schwäbischen Hüttenwerke gehören zu den ältesten Betrieben in Europa. Zudem ist das Institut für Materialforschung (IMFAA) an der Hochschule Aalen ein zentraler Standort für Ausbildung und Forschung auf dem Gebiet der Materialographie. Das Team des IMFAA setzt sich aus aktuell ca. 50 Mitarbeitern zusammen und agiert unter der gemeinsamen Leitung der Professoren Gerhard Schneider, Volker Knoblauch, Dagmar Goll sowie Dr. Timo Bernthaler.

Im Anschluss an die Begrüßung verlieh die DGM den Materialographie-Preis 2017 an zwei langjährige Gestalter der Metallographie mit „herausragenden Fähigkeiten und Fertigkeiten in allen Bereichen der präparativen Materialographie“, insbesondere für deren Verdienste in der Leitung des Arbeitskreises Präparation des Fachausschusses Materialographie. Geehrt mit dem Materialographie-Preis wurden Frau Katja Reiter, Leiterin der Metallographie am Fraunhofer Institut Itzehoe sowie Dr. Holger Schnarr, Leiter Applikationslabor Struers in Willich.

Bereits am Morgen fanden interessante Firmenbesichtigungen statt, die regen Zustrom fanden. Die Carl Zeiss AG ermöglichte Einblicke in die Fertigung und Technologie medizinischer Geräte und Lösungen der industriellen Präzisionsmesstechnik. Die Firma Mapal demonstrierte ihre Exzellenz auf dem Gebiet der Präzisionswerkzeuge und Zerspanungswerkzeuge. Die Maschinenfabrik Alfing Kessler bot Einblicke in die hochmoderne Fertigungskompetenz von Kurbelwellen. Auch das IMFAA öffnete seine Labore zur Herstellung und Charakterisierung von Materialien für interessierte Besucher.

Die 51. Metallographie-Tagung hatte sich einem breiten Themenspektrum verschrieben – metallographische Methoden von der Probenpräparation, über die Mikroskopie bis zur Materialanalytik wurden behandelt. Der Nutzen dieser Untersuchungsmethoden wurde an verschiedenen Werkstoffen, von Stählen über Aluminiumlegierungen und pulvermetallurgischen Werkstoffen bis hin zu Kunststoffen und Verbundwerkstoffen sowie für klassische und neue Fertigungsverfahren, wie zum Beispiel der additiven Fertigung aufgezeigt.
Einen Einstieg in neue Ansätze der bildanalytischen Charakterisierung von Gefügen vermittelte der Plenarvortrag von Tagungsleiter Dr. Timo Bernthaler vom IMFAA zu „Machine Learning in der Materialmikroskopie“. Vorab stellte er die Materialforschungsthemen des Instituts zur Herstellung und Analyse von Werkstoffen für die nachhaltige Mobilität, Energietechnik und Additive Fertigung vor, und unterstrich die hohe Bedeutung der Materialographie für diese Forschungsarbeiten. Im zweiten Teil seines Plenarvortrages berichtete er über den Einsatz maschineller Lernverfahren und wie diese den Materialographie-Experten in der Quantifizierung und Gefügebewertung unterstützen können.
Prof. Dr.-Ing. Andreas Neidel von der Siemens AG referierte in einem weiteren Plenarvortrag über „Additive Fertigung – ein Paradigmenwechsel für Materialographie und Schadenskunde?“ Dabei stellte er erste Anwendungsbeispiele 3D gedruckter Bauteile im Kraftwerksbau dar, ging aber auch darauf ein, wie ein Umdenken in der Konstruktion, Herstellung und Anwendung von additiv gefertigten Bauteilen stattfinden muss.

Am Abend kamen die Tagungsteilnehmer dann zur traditionellen Begrüßung im Rathaus von Aalen zusammen, wo sie von Oberbürgermeister Thilo Rentschler feierlich empfangen und mit einem "schwäbischen Vesper" bewirtet wurden. Anschließend stürzte sich der harte Kern ins „Aalener Nachtleben“.

Den zweiten Tag eröffnete Prof. Dr. Peter Felfer von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mit einem Überblick über die „Atomsondentomographie in der modernen Gefügeanalyse“. Das war der Auftakt eines ganztägigen Symposiums zu Verfahren und Anwendungsbeispielen der Tomographie und 3D-Gefügeanalyse, der vom Fachausschuss Materialographie als neuer Themenbereich gegründet wurde Sein Kollege Prof. Dr. Ing. Erik Bitzek gab im Rahmen seines Plenarvortrags „3D Materials Data Science – Examples and Challenges“ einen Überblick zu den Möglichkeiten, aber auch den Herausforderungen der Analyse großer digitaler Daten.
Parallel dazu fand dieses Jahr das Symposium „Geschichte der Metallographie“ statt. Dieses entstand aus dem 2013 gegründeten Geschichtsausschuss der DGM, der es sich zur Aufgabe macht, die historische Bedeutung der Werkstoffe sowohl unter Materialwissenschaftlern und Werkstofftechnikern als auch unter Historikern sichtbar zu machen.

Ein Highlight der Tagung war die Verleihung des Best Paper Award der Praktischen Metallographie, der von der Firma Buehler ausgelobt wurde. Verliehen wurden die Preise von Prof. Dr. Ing. Frank Mücklich von der Universität des Saarlandes sowie durch Dr. Evans Mogire, Bühler Center of Excellence, University of Warwick (UK). Den Best Paper Award gewann Dipl.-Ing. Magdalena Speicher von der Universität Stuttgart mit ihrer Veröffentlichung „Einfluss verschiedener Ätzmittel auf die Gefügedarstellung in Nickellegierungen" in der Zeitschrift Praktische Metallographie.

Der Best Poster Award verbunden mit einer Geldprämie der Firma Struers wurde unter 21 eingereichten Postern ausgelobt. Dieser ging an Prof. Dr. Silke Mücklich von der Westsächsischen Universität Zwickau mit dem ungewöhnlichen Titel „Gitarrensaiten – Eine interessante Werkstoffvielfalt“. Die Preise wurden von Dr. Volkmar Prill, Geschäftsführer bei Struers GmbH sowie Dr. Holger Schnarr, Struers GmbH überreicht. Den dritten Platz konnte sich der IMFAA-Mitarbeiter Dr. Thomas Kresse der Hochschule Aalen mit dem Postertitel „Verschleiß- und Schadenscharakterisierung an beschichteten Hartmetallwerkzeugen mittels FIB-SEM-Mikroskopie“ sichern.

Regen Zustrom fand die Ausstellung mit rund 25 Firmen im Foyer der Hochschule Aalen, die sich am Donnerstagnachmittag kostenfrei auch der Öffentlichkeit präsentierte. Es bot sich für ein breites Publikum die Gelegenheit, praxisnahe Informationen zu Neuerungen in der Präparationstechnik, sowie zur Licht- und Rasterelektronenmikroskopie und analytischen Verfahren zu erhalten. Metallographie zum Anfassen boten die ausstellenden Firmen in halbstündigen Workshops, bei denen die Tagungsteilnehmer praktische Erfahrung mit neuen Geräten und Methoden sammeln konnten. Unternehmen wie Carl Zeiss Microscopy, ITW-Buehler, Struers, Cloeren Technology, Presi, Ametek, Hahn und Kolb, Kulzer, ATM, Elektronen-Optik Service, Leica Mikrosysteme, Olympus Deutschland, Scan-Dia und weitere stellten ihre Lösungen für die Laborarbeit vor.

Ein weiterer Höhepunkt der Tagung ist seit jeher der Gesellschaftsabend, der im ZEISS Forum in Oberkochen stattfand und die Möglichkeit bot, das ZEISS Museum der Optik zu besichtigen. Prof. Dr. Gerhard Schneider eröffnete den Gesellschaftsabend und übergab dann an den Geschäftsführer von Carl Zeiss Microscopy GmbH Dr. Markus Weber, der die gut gelaunte Materialographie-Community begrüßte und zum Büffet lud. Die Gäste fühlten sich bei gutem Essen und leckeren Cocktails sehr wohl und nutzten die Gelegenheit um neue Kontakte zu knüpfen und alte zu vertiefen. Eine gelungene Überraschung war die Einlage der IMFAA-Brass Band, die fetzige Pop- und Rockmusik zum Besten gab und Songs wie Let me entertain you, Highway to hell, T.N.T. und Killing me softly schmetterte. Damit war der Auftakt für eine ausgelassene Party gemacht und die Gäste schwangen zur Live-Musik der LOS-Partyband bis in den frühen Morgen das Tanzbein.

Eingerahmt in den Gesellschaftsabend wurden die Preise des Fotowettbewerbs überreicht. Die Teilnehmer der Metallographie-Tagung sind seit jeher dazu aufgerufen, aussagekräftige Materialographie-Fotos in drei Kategorien mit einer kurzen Erläuterung einzureichen. Unter den knapp 50 eingereichten Fotos wählten die Tagungsteilnehmer die Gewinner, sie erhielten Büchergutscheine des Springer Verlags. In der Kategorie "Allgemeine Metallographie" gewann Christine Möck von der Daimler AG Stuttgart. Bei der Kategorie "Lehrmaterial" konnte sich Elvira Reiter von der Hochschule Aalen den 1. Platz sichern. Bei der "Heiteren Metallographie" wurde Philipp Bellucci von der Daimler AG Stuttgart mit dem 1. Platz ausgezeichnet.

Am nächsten Tag ging es mit dem Plenarvortrag „Herausforderungen und Trends moderner Analytik“ weiter. Dr. Ralf Schmidt von der Forschung der Robert Bosch GmbH erläuterte in seinem Vortrag die hohe Bedeutung der Analytik für die Materialforschung. Er zeigte, wie multivariante Ansätze der Datenverknüpfung und -analyse unterschiedlicher Methoden zur Lösung von werkstofftechnischen Fragestellungen beitragen können. Nach weiteren interessanten fachlichen Beiträgen endete die Tagung mit dem Vortrag von Prof. Dr. Svea Mayer von der Montanuniversität Leoben zum Thema „Skalenübergreifende Gefügecharakterisierung metallischer und intermetallischer Hochleistungswerkstoffe“. Sehr gewinnend lud dann Prof. Dr. Helmut Clemens als Tagungsleiter zur 15. Internationalen Metallographie-Tagung vom 19.-21. September 2018 an die Montanuniversität Leoben (Österreich) ein.

Zum Abschluss bedankte sich Prof. Gerhard Schneider bei einem hochmotivierten und engagierten Organisationsteam, welches sich aus Inventum- und IMFAA Mitarbeitern sowie Mitarbeitern der Hochschule Aalen zusammensetzte, allen voran dem Technikteam, das bei den Vorbereitungen zur Tagung aufgrund Ereignissen höherer Gewalt Außerordentliches leistete. Die Tagung war eine gelungene Mischung aus insgesamt 52 informativen und zukunftsweisenden Vorträgen, 21 Posterbeiträgen, einer Firmenausstellung zum Anfassen und einem eindrucksvollen Rahmenprogramm. Eine angenehme und sympathische Atmosphäre an der Hochschule Aalen trugen zum Gelingen der 51. Metallographie-Tagung bei.